Betrifft: Kommerzialrat Julius Kiennast, Obmann des Bundesgremiums Lebensmittelhandel der Wirtschaftskammer Österreich.

Es ist bewundernswert, was Ihre Familie in über mehr als 430 Jahren geschaffen hat. Ihre Kunden erstrecken sich von Lagerhäusern, Tankstellen, Lebensmittelhandel, Gastronomie, Hotels und Großküchen bis hin zu Küchen der Justizanstalten, die alleine über 9.000 Häftlinge und eine Menge Justizbeamte verköstigt. Sie schaffen mit 336 Mitarbeitern im Jahr 2019 einen Umsatz von 99,3 Millionen Euro – Gratuliere! Heuer streben Sie einen Umsatz von 100 Millionen an, was Ihnen bestimmt gelingen wird. Auch wir Häftlinge werden unseren Teil dazu beitragen.

Für Häftlinge steht nur ein eingeschränktes Sortiment zum Einkauf zur Verfügung

Vor wenigen Jahren ist es Ihnen gelungen, auch mit uns Häftlingen in Handel zu treten. Mit der Zeit konnten Sie eine Gefängniskantine nach der anderen übernehmen. Mittlerweile haben Sie alle anderen vorherigen Lieferanten abgelöst und somit ein Monopol geschaffen. Das Angebot ist stellenweise recht reichhaltig. Es gibt aber auch Artikel, die im Lager vorrätig sind, bestellt werden können, aber auf den aktuellen Listen nicht ersichtlich sind. Das anfängliche Angebot schrumpft jedoch ständig. Wobei ich nicht verstehe weshalb Artikel aus den Preislisten verschwinden, die eigentlich gut angenommen wurden und gefragt sind. Ist es unrentabel geworden?

Zettel-Wirtschaft in Floridsdorf

Es ist mir auch bewusst, dass wir hier in der Justizanstalt Wien-Floridsdorf mit etwa 35 Insassen für Ihre Firmengruppe mehr Belastung als Gewinn sind. Sie sind aber mit der Justiz eine Verpflichtung eingegangen. Ihr Handelshaus hat den Verkaufsstand hier wegen Unrentabilität geschlossen. Sie liefern quasi bis zur Haustür und überlassen die Arbeit der Verkäufer unseren Justizbeamten. Angefangen von den Bestellungen, der Aushändigung über Reklamationen bis zu Beschwerden bleibt alles an den Beamten hängen, von der unglaublichen Zettel-Wirtschaft ganz zu schweigen. So wie am 11. Mai 2021. Ich bestellte vier Flaschen Black-Jack, habe sie auch erhalten. Wunderbar. Bis ich die Rechnung sah und feststellte, dass mit vier Sechserpacks davon verrechnet wurden. Ich war nur einer von mehreren Insassen mit Reklamationen und wieder mussten die Beamten Tätigkeiten verrichten, die sie von ihren eigentlichen Aufgaben abhalten.

Teures Obst und Gemüse

Am härtesten trifft uns die Preisgestaltung bei Obst, Gemüse und Tiefkühlwaren. Wir Häftlinge, die das Glück haben arbeiten zu können, kommen auf einen Stundenlohn im Centbereich. Von diesem wird dann noch die Hälfte für die Zeit nach der Entlassung zurückgelegt. Um nur einen Euro beim Einkauf bei Ihnen ausgeben zu können, müssen wir etwa zwei Stunden arbeiten.

Abschließend möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass ich mir gut vorstellen kann, dass Sie persönlich weder mit den Angeboten, noch mit der Preisgestaltung zu tun haben. Bestimmt haben Sie andere Sorgen und keine Zeit um sich um Probleme von Häftlingen zu kümmern. Aus diesem Grund möchte ich mit diesem Brief Ihre Aufmerksamkeit erlangen.

In der Hoffnung etwas zu bewirken…

Anmerkung der Redaktion

Wir veröffentlichen regelmäßig Berichte und Reportagen von Untergebrachten aus dem Maßnahmenvollzug. Die Meinung der Autor*innen deckt sich nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion. Die Beiträge werden gekürzt und redigiert aber nicht inhaltlich verändert.

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