Können Sie sich noch daran erinnern, wie aus einem ganz normalen Arbeitstag im Büro ein Aufenthalt auf der Polizeiinspektion wurde? Hier finden Sie den ersten Teil des Beitrags: https://www.blickpunkte.co.at/2025/01/28/es-kann-auch-sie-treffen/
Lassen Sie uns zu dem Moment zurückkehren, an dem ich für Sie geendet habe. Versetzen Sie sich bitte erneut in diese Situation, damit ich fortfahren kann. „Halten Sie an!“ ruft der Polizeibeamte, der sich plötzlich vor Sie stellt. „Bitte beruhigen Sie sich!“
Jetzt ist es wirklich genug – warum sollten gerade Sie sich beruhigen, während alle anderen „durchdrehen“?
„Nein, ich werde jetzt gehen!“ entgegnen Sie dem Beamten resolut. Dieser besteht nun mit Nachdruck darauf, dass Sie die Polizeiinspektion nicht verlassen dürfen.
Vor Ihrem geistigen Auge stellen Sie sich bereits Ihre Freiheit vor und wollen die Tür öffnen, die nur noch einen knappen Fingerbreit von Ihnen entfernt ist. Doch der Weg wird Ihnen sofort versperrt. Ein Kribbeln breitet sich in Ihrem Bauch aus – Ihnen wird heiß und kalt, und ein unangenehmes Gefühl breitet sich aus. „Ich will gehen!“ zischen Sie aufgeregt. Leider werden Sie umgehend enttäuscht; eine weitere seltsame Situation tritt ein. Der Polizist legt Ihnen eine Hand auf die Schulter, vielleicht meint er es beruhigend, doch für Sie ist das äußerst unangenehm. „Lassen Sie mich los!“ entfährt es Ihnen, sanft aber bestimmt wehren Sie sich gegen den Beamten.
Nun ist auch wieder die junge Kollegin anwesend, gemeinsam reden sie beruhigend auf Sie ein, während man Sie zu einem Sessel führt und Ihnen hilft, Platz zu nehmen. Während ein Beamter sich gegenüber in Position bringt, holt die junge Polizistin Ihnen einen Becher Kaffee.

Ein weiterer Beamter telefoniert währenddessen mit Ihrer Ehefrau – als ob Sie das nicht selbst schon vorgehabt hätten. „Eine unverschämte Bevormundung!“ denken Sie, schließlich hätte dieser Anruf doch von Ihnen kommen sollen.
Zögernd und verächtlich schlürfen Sie nun dieses Heißgetränk und überlegen, ob dies möglicherweise ein gutes Zeichen der „hysterischen“ Beamten sei und diese endlich zur Vernunft gekommen sind. Bestimmt würde sich diese „Blödelei“ bald in Luft auflösen. Man überreicht Ihnen nun das Diensthandy welches auf Lautsprecher-Funktion gestellt wurde und somit ist es Ihnen möglich, mit Ihrer Ehefrau zu telefonieren, während die Anwesenden alles mithören können. „Irgendwie gibts hier wohl keinen Datenschutz, kein Recht auf Intimsphäre“ denken Sie zwangsläufig.
Im Gespräch mit Ihrer Liebsten erfahren Sie, dass Ihr befreundeter Anwalt im Urlaub ist und auch alle anderen Anwälte, die kontaktiert wurden, keine Kapazitäten für Sie haben. Ihre Gattin bemüht sich weiter, etwas zu Hause zu organisieren.
Schließlich werden Sie unterbrochen und man teilt freundlicherweise mit, dass es einen anwaltlichen Bereitschaftsdienst für festgenommene Personen gibt, diesen können Sie in Anspruch nehmen. „Die Ehefrau solle sich darum am besten gleich kümmern!“ meinte die junge Beamtin. Ebenso wurde im Telefonat vereinbart, den gemeinsamen Kindern mitzuteilen, dass Papa für ein paar Tage geschäftlich verreist. Ob solch Lüge eine gute Option ist? Wenn man jetzt offensichtlich lügt, würde dies nicht sogar ein schlechtes Bild auf Sie werfen? Vielleicht wird ja Ihr Gespräch mit Ihrer Frau aufgenommen und Sie haben sich somit mehr geschädigt? Vielleicht stellt man dann bei dieser Notlüge keine Fragen im Privatbereich, sofern die Kollegen im Büro nicht sofort alles erzählen. Man bedenke: die Chefsekretärin wohnt um die Ecke. Schlimmer noch, die gemeinsamen Kinder sind gut befreundet. Sie teilen sich nicht nur einen Schulweg, sondern sogar eine Klasse.
Sie versuchen nun, Ihr Familienmitglied zu beruhigen und sprechen Worte der Liebe und Zuneigung aus. Auch wird die Möglichkeit in Erwägung gezogen, ein paar Tage wegzufahren: das wäre eine gute Idee für Ihre Frau und die gemeinsamen Kinder. Doch dies gestaltet sich schwierig, da man während der Schulzeit nicht ohne „gerechtfertigte Verhinderung“ oder „Erlaubnis zum Fernbleiben“ der Schule „entkommen“ kann.
Info: Die rechtlichen Grundlagen dazu sind § 9 SchPflG; §§ 33, 45 SchulG; und die Schulordnung.
Die Frau ist mit der Situation auch überfordert, teilt sie mit, man müsse nun gemeinsam überlegen, wie man zumindest die Kinder aus diesem Schlamassel heraushalten kann. Sie möchten die Lage entschärfen und beschwichtigen die Situation mit den Worten, dass es sich vermutlich um ein Missverständnis handelt. Ob die Person am anderen Ende der Leitung dies wirklich glaubt, steht in den Sternen.
Um Ihnen die weitere Vorgehensweise zu erklären, ersucht der Beamte das Telefonat nun zu beenden. Neugierig warten Sie auf diese Informationen, während das Gefühl von Heimweh in Ihnen aufsteigt und Sie dies kaum unterdrücken können. Am liebsten würden Sie, wenn es nur nicht so jämmerlich unmännlich wirken würde, Ihren Emotionen freien Lauf lassen. Der Beamte gibt Ihnen nun einen Einblick in die aktuelle Situation:
Die „gefährliche“ Sache im Büro sei der Anfang gewesen, und die Tatsache, dass Sie einen Beamten sogar wegstoßen wollten, sei bereits bedenklich. Ein tätlicher Angriff sei kein Kavaliersdelikt; man könne dies auch als Widerstand gegen die Staatsgewalt betrachten – so wurde es Ihnen mitgeteilt (§ 269 StGB).
Info: Nach § 270 StGB macht sich strafbar, wer einen Beamten während einer Amtshandlung im Sinne des § 269 Abs. 3 StGB tätlich angreift.
Sie sind äußerst verwundert und erschrocken – schließlich haben Sie diesen Mann lediglich freundlich „angeleitet“, Sie in Ruhe zu lassen. Wenn bereits ein kleiner Schubser als wilder Angriff gilt, dann scheinen Sie sich in einem falschen Film zu befinden. Sie sind ein guter Mensch und es ist wirklich nichts Schlimmes geschehen. Auf die Frage, wann Sie endlich nach Hause dürfen, erhalten Sie die komplett unterkühlte Antwort, dies sei noch eine Weile nicht der Fall. Dann vernehmen Sie nur noch Stille in sich.
Sie fühlen, wie Sie in sich hinein kriechen möchten. Ihr Körper hat sich in eine Höhle verwandelt, in der Sie sich verstecken wollen. Jetzt können Sie sich sogar in eine Schnecke hineinversetzen, welche sich bei Gefahr in ihr sicheres Häuschen zurückziehen kann. Aber nicht jeder ist eine Schnecke und nicht jeder kann nach Hause. Ihnen ist nun richtig übel und eine überwältigende Müdigkeit macht sich breit.
Was die anwesenden Polizeibeamten miteinander sprechen, verstehen Sie nicht und mittlerweile ist es Ihnen auch schon egal. Anschließend werden Sie gebeten einige Formalitäten zu unterzeichnen. Dies geschieht automatisch – in Ihnen sind keine Gefühle mehr. Sie würden alles unterschreiben, nur damit es aufhört – damit Sie endlich wieder nach Hause können. Danach heißt es warten. Innerhalb von 48 Stunden müssen Sie einem Richter vorgeführt werden.
Wie ein Verbrecher werden Sie behandelt – wie ein Terrorist – dabei sind Sie doch das Opfer! Jahrelang haben Sie sich abgemüht und tyrannisieren lassen. Dass man dies nicht auf Dauer ertragen kann, ist eigentlich klar. Keinerlei Unterstützung haben Sie erhalten – die Betriebsrätin hat sie auch immer nur vertröstet und gemeint, die Lage anderer wäre weit schlimmer als Ihre – „Sie sollten sich nicht so anstellen.“ Weiter hieß es: „Entweder lässt man sich mobben oder eben nicht.“

Nun werden Sie gebeten, in eine Arrestzelle zu kommen. Sie verstehen die Welt nicht mehr. Sie sind ja kein gefährliches Tier oder ein Psychopath! Wenn jeder unbescholtene Bürger so behandelt wird, ist das mehr als bedenklich! Schlussendlich gehen Sie mit dem Beamten einige Treppen hinunter, wo man Ihnen drei leere Zellen zeigt. Derzeit ist noch alles frei!“ sagt einer der Beamten grinsend. Sie entscheiden sich für Zelle 2, welche in der Mitte liegt. Der Beamte erklärt Ihnen, was zu tun wäre, wenn Sie etwas benötigen würden – dann wird die Tür geschlossen.
Sie sind allein. Es ist still, und Ihr Herz pocht so laut, dass Sie denken, jemand könnte es hören. Sie versuchen sich zu beruhigen und möchten nur noch schlafen. Gleichzeitig sind Sie aufgewühlt und voller Angst. Diese Situation ist so surreal – dies kann doch nur ein verrückter Traum sein. Wie wird es mit Ihnen weitergehen?
Sehr geehrte LeserInnen, hier möchte ich meinen Beitrag schließen. Vielleicht denken wir gemeinsam im Stillen darüber nach, was nun geschehen wird. Vielleicht wünschen wir uns auch einfach nur einen positiven Ausgang?
Zum Schluss bedenken wir: Können schöne Geschichten mit einem guten Ausgang im Maßnahmen- und Strafvollzug auch möglich sein? Kommt womöglich in letzter Sekunde ein Rechtsanwalt, welcher Sie mit ausgeklügelten Taktiken umgehend „herausboxt“? Zumindest ist es bei den Stars und Berühmtheiten doch so oft der Fall…. Haben Sie diesmal wenigstens ein bisschen Glück?
Wenn Sie Ideen für einen dritten Teil haben, würde ich mich freuen, wenn Sie diese schriftlich unter redaktion@blickpunkte.co.at senden würden.