Der junge Mann Rayen berichtet mir von seiner Flucht aus Syrien nach Österreich, den Herausforderungen und Gefahren während der Reise, dem Ablauf des Asylverfahrens und seinen Integrationsleistungen. Thematisiert werden persönliche Erfahrungen, emotionale Belastungen, der Umgang mit Behörden, die Rolle von Schleppern, sowie gesellschaftliche Diskussionen rund um Migration, Integration und Asylpolitik.
Persönliche Vorstellung und Herkunft
Rayen stammt aus Syrien, lebt seit neun Jahren in Österreich, ist 30 Jahre alt und wird im Juli 31. Er hat in Syrien die Matura gemacht und fünf Jahre als Koch gelernt. Nach drei Jahren Ausbildung schloss er das erste Jahr an der Hochschule ab, das zweite Jahr konnte er 2015 wegen seiner Flucht nicht mehr beenden.
Bildungsweg in Syrien
Rayen absolvierte die Matura und eine fünfjährige Kochausbildung, davon drei Jahre abgeschlossen. Danach besuchte er ein Hochschule, schloss das erste Jahr ab, konnte das zweite Jahr jedoch nicht beenden, da er 2015 Syrien verlassen musste.
Fluchtweg und Dauer
Die Flucht begann 2015 und führte von Syrien mit dem Bus in den Libanon, von dort mit dem Schiff in die Türkei, weiter mit dem Boot nach Griechenland. Nach mehreren Versuchen gelangte er schließlich über Griechenland, Mazedonien, Ungarn, Slowenien und Kroatien nach Österreich. Die gesamte Reise dauerte genau 20 Tage.
Reisegruppe
Rayen reiste zuerst mit einem Freund, ein Arzt und zwei Kindern. Unterwegs schlossen sich weitere Geflüchtete an, sodass die Gruppe insgesamt aus acht Personen bestand.

Ungeplante Flucht und Motivation
Die Flucht war nicht geplant. Rayen wollte nicht zum Militärdienst gezwungen werden, da er gegen das Assad-Regime war und nicht für die Regierung kämpfen und morden wollte. Die Angst vor Gewalt, Repressionen und der Zwang zum Militärdienst waren seine Hauptmotive für die Flucht.
Ziel und Entscheidung für Österreich
Ursprünglich wollte Rayen nach Finnland, da er wenig Kontakt zu Menschen suchte und dachte, dort sei es ruhiger. Eine Tante riet ihm davon jedoch ab, er landete in Österreich. Nach seiner Ankunft in Salzburg und positiven Erfahrungen mit der österreichischen Polizei und dem Militär, die ihn freundlich begrüßten und unterstützten, entschied er sich spontan, in Österreich zu bleiben. Auch sein Freund und die Kinder blieben daraufhin.
Sprachkenntnisse
Bei seiner Ankunft sprach Rayen Englisch auf A2-B1 Niveau, da er in der Schule Englisch und Französisch gelernt hatte. In Österreich verlernte er Englisch, weil seine Freunde ihn motivierten, ausschließlich Deutsch zu sprechen, um seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Seit neun Jahren spricht er kaum noch Englisch, versteht aber noch etwas, er wird seine Kenntnisse zu einem geeigneten Zeitpunkt wieder vermehrt anwenden, und ausbauen.
Emotionale Belastung und Motivation
Die Flucht war emotional sehr belastend, geprägt von Angst, Sorgen um die Familie und Unsicherheit über die Zukunft. Die Entscheidung, die Familie und das Heimatland zu verlassen, fiel ihm schwer. Die Motivation, nicht nach Syrien zurückkehren zu können, da ihm dort Verhaftung und Zwang zum Militärdienst drohten, gab ihm Kraft, die Flucht durchzuhalten. Es ist für ihn unvorstellbar jemandem Leid zu zufügen.
Hilfe durch andere und Schlepper
Die Gruppe erhielt unterwegs Informationen von anderen Geflüchteten, die bereits Erfahrungen gesammelt hatten. Für die Überfahrt von der Türkei nach Griechenland nutzten sie auch ihre Kontakte, denen sie vertrauen konnten. Auch Schlepperdienste meldeten sich bei ihnen, wobei pro Person 2.000 US-Dollar verlangt wurden. Die Schlepper wurden meist über Spitznamen vermittelt, die Gruppe nützte diese nicht, sondern machten sich selbständig am Weg.
Gefährliche Überfahrt und Zwischenfälle
Bei der Überfahrt nach Griechenland wurde das Boot von einer Gruppe namens ‘Columbus’ angegriffen, die aus Europa stammte und gegen Flüchtlinge war. Die mit einer Art Uniform bekleideten vermummten Angreifer zerstörten das Boot mit Metallteilen, schossen in die Luft und zwangen die Gruppe ins Meer zu springen. Alle Geflüchteten mussten von 07:00 bis 18:00 Uhr im Meer ausharren, bis Hilfe kam. Wollte einer das Meer verlassen, so wurde das Feuer eröffnet, es schlugen Kugeln neben ihnen ein. Es handelte sich dabei nicht um türkische Behörden, sondern um eine europäische Gruppe, vermutlich ähnlich der heutigen Frontex.
Ankunft und Aufenthalt in Österreich
Rayen kam am 20. September 2015 in Österreich an, meldete sich bei der Polizei, wurde kontrolliert und für 48 Stunden inhaftiert. Die Polizei überprüfte ihn auf Waffen und schickte ihn und einen Freund ins Gefängnis, während der weitere Freund, der Arzt mit den zwei Kindern, in ein Hotel gebracht wurde.
Haftbedingungen
Im Gefängnis war Rayen mit seinem Freund, fünf Afghanen und einem Österreicher in einer Zelle. Die Polizei informierte nicht über die Dauer im Gefängnis und auch nicht über den Haftgrund. Die Zelle war überfüllt, es gab nur Doppelbetten, insgesamt waren im Gebäude etwa 70 Personen untergebracht. An Ruhe und Schlaf war nicht zu denken.
Kommunikation mit Behörden
Es gab keine ausreichende Kommunikation auf Arabisch oder Englisch durch die Polizei. Die Information über die Haftdauer erhielt Rayen durch eine Notiz an der Wand, die von einem anderen Häftling geschrieben wurde. Die Polizei sprach lieber nur mit den Afghanen auf Englisch, aber nicht mit Rayen und seinem Freund. Der beisitzende Dolmetscher aus Ägypten verbreitete bei den beiden mehr Angst als das er Hilfe angeboten hätte, er sprach mehrmals davon Rayen und seine Freunde sollen nach Griechenland zurückgehen.
Erste Schritte nach der Haft
Nach der Haft folgte ein Interview mit einem Richter und einem Dolmetscher. Der Dolmetscher vermittelte, dass Rayen nach Griechenland zurückgeschickt werden sollte, was sich als falsch herausstellte und ihn psychisch stark belastete. Am nächsten Tag erhielt er eine neue Hoteladresse in Salzburg und 11 Euro für den Bus.
Unterbringung und Transfer
Rayen war 10 Tage in einem Hotel in Salzburg, danach wurde er für 65 Tage in ein Camp in der Slowakei gebracht, das von Österreich gemietet war. Nach 65 Tagen wurde er nach Sieghartskirchen gebracht, wo er seinen unbefristeten Asylbescheid erhielt.
Asylverfahren und Status
Nach insgesamt 71 Tagen erhielt Rayen also endlich einen unbefristeten Asylbescheid. Er ist jetzt nach neun Jahren in Österreich weiterhin Asylant, obwohl er seit 2018 das B2 Deutsch-Zertifikat besitzt, und die Voraussetzungen für die Staatsbürgerschaft erfüllt hätte.
Integrationsleistungen
Rayen hat seit 2018 außerdem einen Computerführerschein, eine Ausbildung in Lagerorganisation inklusive Staplerschein absolviert. Beim Roten Kreuz Ausbildungszentrum in Wien, absolvierte er die Ausbildung zum Pflegeassistent, er arbeitet seit fünf Jahren in einem Krankenhaus und er ist seit kurzem stolzer Vater einer Tochter. Man sollte glauben, er ist endlich angekommen in Österreich, doch nein, das Zittern um Anerkennung seiner Leistungen geht weiter.

Staatsbürgerschaftsverfahren
Nach sechs Jahren Aufenthalt und 36 Monaten Vollzeitarbeit kann man die Staatsbürgerschaft beantragen. Rayen hatte 2023 einen Antrag zum Staatsbürgerschaftsverfahren eingebracht. Der Termin wurde für April 2024 bestätigt, zu seiner Überraschung war es aber nur ein allgemeiner Infotag, er hatte ein falsches Formular abgegeben. Erst am 12. Mai 2025 hat er einen Termin zur Beantragung der Staatsbürgerschaft bekommen. Wie ich erfahren habe, fehlt jetzt der Magistratsabteilung 35 (Wiener Einwanderungsbehörde) irgendein Zahlungsbeleg einer Mieteinzahlung aus dem Jahren 2019/20!
Rayen hat Verantwortung für sich und seine junge Familie, er sagte mir, er wird auch diese Hürde welche gefühlt tatsächlich eine Behörden Farce ist, bewältigen, auch wenn er noch nicht genau weiß welcher „Zettel“ genau gebraucht wird.
Gesellschaftliche Diskussionen
Es gibt politische Diskussionen über Asyl und Migration in ganz Europa. Populisten überbieten sich gegenseitig mit Menschen verachtenden Aussagen in den Medien. Gesellschaftlich liegt der Fokus auf empfundener sozialer Ungleichheit und steigenden Kriminalitätszahlen unter Jugendlichen, insbesondere bei Eigentumsdelikten, Medien stürzen sich auf Gewaltdelikte.
Hierbei darf man sich jedoch nicht der Einfachheit hingeben, die breite Mehrheit der in Österreich Schutzsuchenden Menschen möchten wie Rayen, ein Menschenrechtskonformes Leben führen. Sie möchten ihren Beitrag zum Wohlstand für Österreich leisten, sie möchten niemandem schaden, sie möchten nicht morden, weil es eine Regierung befiehlt, sie möchten ein gesundes friedvolles Leben führen.
Ja, es sind Menschen wie wir – es braucht nur den Willen jedes und jeder Einzelnen sowie den der Mehrheitsgesellschaft, dieses Bemühen zu unterstützen.
Erfahrungen mit Behörden und Integration
Rayen berichtet von positiven Erfahrungen mit der Polizei und dem Militär bei der Ankunft in Österreich, aber auch von Unsicherheiten und negativen Erlebnissen im Asylverfahren, wie der Inhaftierung, ohne eine Straftat begangen zu haben und allgemein mangelnder Kommunikation. Die Integration war und ist jeden Tag herausfordernd, aber durch Unterstützung von Freunden und eigene Anstrengungen erfolgreich. Er sagt, es wäre einfacher man würde mehr Filme bei komplexen Themen präsentieren, damit ist eine mögliche kulturelle wie sprachliche Barriere kleiner, er selbst habe sich beispielsweise den „Wiener Schmäh“ über die Sozial Media Plattform YouTube beigebracht, dies hilft ihm auch in seiner täglichen Arbeit mit älteren erkrankten Menschen, und führt zu einer oftmals sehr humorvollen Kommunikation, besonders ältere Damen schätzen diese, für ihn ist es eine große Freude wenn er trotz der Umstände das Lächeln im Gesicht seiner PatientInnen sieht.
Ausblick
Rayen hat jeden Tag seines „Weg des Todes“ wie er seine Flucht nennt, in einem Notizbuch festgehalten. Ein Ziel ist auch, ein Buch zu schreiben um Menschen Mut zu machen niemals aufzugeben, und er möchte auch Hilfestellung bieten, damit Integration ohne strafbare Handlungen gelingen kann.
Nachsatz: Für diese Geschichte habe ich mich mit Rayen im Augarten in Wien getroffen. An diesem Tag war er vorher bei der Magistratsabteilung 35, er hatte um acht Uhr seinen Termin, es dauerte bis elf Uhr, um in einem 15 Minuten Gespräch zu erfahren, dass noch Nachweise über Mietzahlungen aus lang vergangener Zeit fehlen.
Ich habe ihn gefragt; „Wie können Sie dabei noch so fröhlich sein?“ Seine Antwort war: „die Leute machen auch ihre Arbeit.„
Ich habe großen Respekt vor dieser Gelassenheit, und auch vor allen den negativen Erfahrungen, die ich hier bewusst nicht geschrieben habe, denn diese sollen in seinem Buch Platz finden, dann wird Rayen sy hoffentlich schon Österreicher sein, was er sich vor allem auch für seine Tochter wünscht.