Das neue Mandatsverfahren hilft Betroffenen, Hasspostings löschen zu lassen.

Lisa postet gerne Bilder von sich, ihrem Hund und ihrem Alltag auf Instagram. Nichts Besonderes – bis zu dem Tag, an dem sie ein Foto von sich mit Regenbogenflagge teilt.
Der erste Kommentar kommt noch am selben Abend. Dann der nächste. Und der nächste. „Hoffentlich wirst du verprügelt.“, „Du bist das Letzte.“ Innerhalb von Stunden verwandelt sich ihr Profil in ein Sammelbecken von Hass und Gewaltfantasien. Lisa löscht, blockiert, meldet – doch die Kommentare kommen immer wieder. Irgendwann traut sie sich kaum noch, das Handy in die Hand zu nehmen.

Wenn jemand im Internet beschimpft, bedroht oder öffentlich bloßgestellt wird, kann das eine Beleidigung, Verleumdung oder sogar eine gefährliche Drohung sein. All das sind Straftaten – ganz gleich, ob sie auf der Straße oder online passieren.

Was viele nicht wissen: Wer online beleidigt, bedroht oder verleumdet wird, hat Rechte – und die Möglichkeit, sich zu wehren. Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten, gegen „Hassposter“ vorzugehen:

Hasspostings haben mit der Verbreitung von Social Media immer stärker zugenommen. Um diesem Phänomen entgegenzuwirken und den Schutz der Opfer zu verstärken und das Vorgehen gegen Hassposter zu vereinfachen, wurde das sogenannte „Hass-im-Netz-Gesetzespaket“ beschlossen, welches grundsätzlich mit 1.1.2021 in Kraft trat. Mit diesem Gesetzespaket wurden zahlreiche Änderungen in der österreichischen Rechtsordnung vorgenommen. Unter anderem wurde mit diesen Änderungen auch ein neues Mandatsverfahren, welches das Vorgehen gegen Hasspostings erleichtern soll, eingeführt.

Was sind Hasspostings?

Hasspostings weisen unter anderem die nachstehenden Punkte auf:

  • Verallgemeinerungen,
  • Verschwörungstheorien und Gerüchte,
  • Gegenüberstellungen („wir“ gegen „die“),
  • falsche bzw unrichtige Tatsachen, die mit dem Hinweis auf angebliche „Studien“ belegt werden sollen,
  • Diskriminierung und Beschimpfung,
  • verzerrte Darstellung der Realität.
In der Anonymität des Internet fühlen sich Hassposter sicher

Rasche Löschung von Hasspostings mittels Mandatsverfahren:

Richtet sich ein Posting gegen einen persönlich und verletzt die Menschenwürde, wie etwa obszöne Beschimpfungen, Todes- oder Vergewaltigungswünsche, dann besteht die Möglichkeit, einen Unterlassungsauftrag im Wege des Mandatsverfahrens zu erwirken. Das Mandatsverfahren ist ein einfacher Weg, wie man rechtliche Unterstützung bekommt, um sich gegen Hass im Netz zu verteidigen.

Im sogenannten Mandatsverfahren (geregelt in § 549 der Zivilprozessordnung – ZPO) können sich Betroffene schnell und kostengünstig dagegen wehren, wenn sie im Internet durch Texte, Postings oder Bilder verletzt werden. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Beitrag so beleidigend oder herabwürdigend ist, dass er die Menschenwürde verletzt – also weit über eine bloße Meinungsäußerung hinausgeht.

Auch wenn solche Inhalte nicht öffentlich (Social Media), sondern per Nachricht (Direktnachricht, WhatsApp ua Messenger Dienste, SMS usw) verschickt werden – etwa über WhatsApp, SMS oder private Nachrichten auf Social Media – kann das Mandatsverfahren helfen.

Wie läuft das Mandatsverfahren ab?

Der Unterlassungsauftrag ist eine Klage und muss beim zuständigen Bezirksgericht eingebracht werden.

INFO: Im Normalfall richtet sich die Zuständigkeit des Bezirksgerichts nach dem Wohnsitz. Die Suche nach dem zuständigen Bezirksgericht ist auf der Homepage der österreichischen Justiz bzw unter diesem Link möglich: https://www.justiz.gv.at/gerichte/gerichtssuche.781.de.html;jsessionid=753796112926F5BEDC17259F1531CDC3.s1

Die Klage kann mittels eines Formblattes, dass unter dem Link https://justizonline.gv.at/jop/web/formulare/gruppe/6/17 abgerufen werden kann, eingebracht werden. Die Nutzung des Formblattes ist nicht verpflichtend, jedoch sinnvoll, wenn man nicht anwaltlich vertreten ist. Das Formblatt bildet bereits alle Voraussetzungen für die Erhebung der Klage ab.

Dem Unterlassungsauftrag ist ein Nachweis der Verletzung anzuschließen. Das kann ein Screenshot der Internetseite oder Nachricht sein, der den rechtsverletzenden Inhalt darstellt oder ersichtlich macht.

Das Gericht prüft dann, ob sich der behauptete Anspruch aus den Angaben in der Klage schlüssig ergibt. Trifft dies zu, dann erlässt das Gericht einen Unterlassungsauftrag und stellt diesen der beklagten Partei zu. Das Besondere dabei ist, dass diese Entscheidung alleine aufgrund der Angaben in der Klage, ohne mündliche Verhandlung und ohne Einvernahme der beklagten Partei, erlassen wird.

Die beklagte Partei kann innerhalb von 14 Tagen Einwendungen gegen den Unterlassungsauftrag erheben. Darin muss sie die Behauptungen bestreiten, also darlegen, dass das Posting nicht von der beklagten Person stammt oder warum dieses nicht die Menschenwürde beeinträchtigend verletzend ist. Nur dann, wenn Einwendungen erhoben werden, wird ein ordentliches Verfahren durchgeführt, also eine mündliche Verhandlung vor Gericht anberaumt und ein Beweisverfahren durchgeführt.

Werden keine Einwendungen erhoben, dann wird der Unterlassungsauftrag rechtskräftig und kann durch Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden.

Antrag auf vorläufige Vollstreckbarkeit:

Bei besonders schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen kann zusätzlich die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Unterlassungsauftrages beantragt werden. Dieser Antrag ist gleichzeitig mit dem Unterlassungsantrag zu stellen.

Der Antrag auf vorläufige Vollstreckbarkeit kann etwa dann gestellt werden, wenn jede weitere Abrufbarkeit des Inhaltes unzumutbar ist, mit erheblichen Nachteilen verbunden ist oder mit den tragenden Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Inhalt die intime Persönlichkeitssphäre berührt oder obszöne Beschimpfungen enthält, der betroffenen Person beruflich stark schadet oder einer Person oder einer Gruppe das Recht abspricht, gleichwertig Teil der Gesellschaft zu sein.

Wenn das Gericht die vorläufige Vollstreckbarkeit zuerkennt, dann hat die beklagte Partei den rechtsverletzenden Inhalt sofort zu beseitigen, selbst wenn sie Einwendungen im Mandatsverfahren erhebt. Der Unterlassungsauftrag kann dann umgehend auch durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (Geldstrafen) durchgesetzt werden.

Hürden des Mandatsverfahrens:

Für die Einbringung des Antrages werden Gerichtsgebühren in Höhe von EUR 114,00 fällig[1] (Stand: 1. April 2025). Diese sind von der klagenden Partei sofort mit Einbringung des Antrages an das Gericht zu zahlen.

Daneben können weitere Kosten durch anwaltliche Vertretung entstehen, etwa wenn die beklagte Partei Einwendungen erhebt und sich durch einen Anwalt vertreten lässt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann Verfahrenshilfe beantragt werden. In diesem Fall kann die klagende Partei von der Zahlung der Gerichtsgebühr befreit werden.

Für den Unterlassungsauftrag müssen Name, Adresse und Geburtsdatum der beklagten Partei bekannt sein, da sonst eine Zustellung des Unterlassungsauftrages nicht möglich ist. Sind diese nicht bekannt, besteht die Möglichkeit, im Rahmen eines Auskunftsverfahrens (Auskunftsanspruch nach § 13 ECG) beim Anbieter der Website Name und Adresse zu erfragen.

Bei großen Vermittlungsdiensteanbietern, zu welchen auch Instagram, TikTok, Snapchat und Facebook zählen[2], besteht die Möglichkeit, die Klage direkt gegen diese Anbieter zu richten. Der Klage muss in diesem Fall eine Abmahnung vorangehen. Wird der rechtswidrige Inhalt über das für diese Plattformen vorgesehene Melde- und Abhilfesystem gemeldet, stellt dies eine gültige Abmahnung dar. Mit der Abmahnung soll diesen Anbietern die Möglichkeit gegeben werden, den Inhalt zu entfernen, indem man diesen Inhalt angezeigt hat. Hintergrund ist, dass diese Dienste den Inhalt nicht selbst gepostet haben und daher erst Kenntnis von dem rechtswidrigen Inhalt erhalten müssen, um dann die Möglichkeit zu haben, den Inhalt unverzüglich zu entfernen. Erst wenn der Vermittlungsdiensteanbieter auf die Meldung nicht reagiert, kann die Klage gegen diesen gerichtet werden.

Daneben gibt es viele weitere Möglichkeiten gegen Hasspostings vorzugehen. Auf zivilrechtlichem Weg kann etwa bei ehrverletzenden und/oder kreditschädigenden Inhalten vorgegangen werden. Wird in einem Medium, also auch auf Social Media Plattformen der Tatbestand der üblen Nachrede, Beschimpfung, Verspottung oder Verleumdung verwirklicht, bestehen medienrechtlich Schadenersatzansprüche sowie Unterlassungs- und Gegendarstellungsanprüche. Ob ein Posting zu einem der aufgezeigten Ansprüche führt, lässt man in diesen Fällen am besten von einem spezialisierten Rechtsanwalt klären.


[1] Gemäß § 10 Z 6 RATG (Rechtsanwaltstarif) ist bei Klagen auf Unterlassung nach § 549 ZPO eine Bemessungsgrundlage von EUR 5.000,00 heranzuziehen. Für die Gerichtsgebühren ist in § 16 Abs 1 lit e GGG eine Bemessungsgrundlage von EUR 750,00 vorgesehen.

[2] Presseaussendung der Europäischen Kommission vom 25.4.2023, Digital Services Act: Commission designates first set of Very Large Online Platforms and Search Engines https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_23_2413

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert