Das Schöffengericht muss sich mit einem weiteren Fall von sexuellem Missbrauch an Unmündigen im familiären Umfeld befassen. Derartige Fälle sind häufig, sie werden medial eher vernachlässigt , was den Opfern jedoch die Stimme nimmt. So war es auch in diesem Fall, die Opfer dachten man glaubt ihnen nicht.
Angeklagt ist der 54-jährige Herr H.
Er wurde in Österreich geboren, aber wie auch seine Schwester nach Holland adoptiert, und lebte dort bis ins Erwachsenenalter. Im Jahr 2004 kehrte er nach Österreich zurück.
Er heiratete eine Frau, die bereits ein Kind aus einer Vorehe hatte. Frau Petra L. (Name geändert) hat eine Tochter, A. wurde 2009 geboren. Später lebte Petra L. in einer Lebensgemeinschaft mit dem Angeklagten und mit den Söhnen L. (geboren 2013) und S. (geboren 2015).
Der Angeklagte war für die Kinder A., S. und L. eine Art Großvaterfigur und betreute sie regelmäßig, insbesondere nach dem Tod der Großmutter, die an Multipler-Sklerose litt und im Rollstuhl saß.
Beruflicher Werdegang und finanzielle Situation von Herrn H.
Herr H. ist Koch, mit einer Berufsausbildung zum Koch und 6 Jahren Volksschule als Schulbildung.
Weitere Ausbildung: Saunameister in den Niederlanden.
Finanziell war er abhängig von seiner Lebensgefährtin, sie verwaltete auch die Finanzen des H. Zuletzt hatte er ein Einkommen von 400 Euro aus der Mindestsicherung.
Vorstrafen und rechtliche Vorgeschichte
Herr H. hat in Österreich keine Vorstrafen. In den Niederlanden jedoch, wurde der Angeklagte im Jahr 2000 wegen einer sexuell motivierten Straftat verurteilt. Er gab an, dass er eine Strafe von 18 Monaten Haft hatte, davon 12 Monate verbüßt hat, der Rest wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Unterbringung: In einem forensisch therapeutischen Zentrum, ambulante Therapie.
Die Vorstrafe aus den Niederlanden wurde von den holländischen Behörden nicht in die österreichische Auskunft eingetragen. Der Angeklagte hat diese Vorstrafe im Verfahren selbst angegeben.
Missbrauchsvorwürfe und Tathergang
Übergriffe an dem Mädchen A.:
Die Übergriffe begannen im Kindesalter und wiederholten sich über Jahre hinweg.
Der Angeklagte bestand darauf, mit A. nach dem Schwimmen in der Sauna gemeinsam zu duschen. Er verlangte von dem Mädchen, dass sie ihn wäscht, einschließlich des Intimbereichs, und wusch sie anschließend ebenfalls am ganzen Körper, auch im Intimbereich, wobei er auch in die Vagina eindrang.
Die Übergriffe fanden ungestört statt, da die Großmutter aufgrund ihrer Behinderung das Badezimmer nicht betreten konnte. Auch im Auto kam es zu Übergriffen, indem der Angeklagte das Mädchen während der Fahrt am Oberschenkel und Intimbereich berührte. Ein weiterer Vorfall, bei der Begrüßung vor anderen, hielt er das Mädchen am Gesäß fest.
Im Alter von 12 Jahren verweigerte das Mädchen weitere Besuche, nachdem die Übergriffe für sie zu belastend wurden. Danach kam es zu keinen weiteren Übergriffen an ihr.
Übergriffe an den Buben S. und L.
Nach dem Tod der Großmutter wurden auch die Buben regelmäßig vom Angeklagten betreut.
Beide wurden separat mit dem Angeklagten geduscht, wobei es zu ähnlichen Übergriffen wie bei dem Mädchen kam (Berührungen und Waschungen im Intimbereich, Auf- und Abwärtsbewegungen am Penis).
Der Angeklagte verlangte von den Buben, dass sie ihn ebenfalls einseifen.
S. wurde bevorzugt behandelt, musste im Bett des Angeklagten schlafen, wo es zu weiteren Übergriffen kam. Ein Vorfall auf der Couch wurde von L. beobachtet.
Im Kinderzimmer von S. kam es zu einem weiteren Übergriff, bei dem der Angeklagte S. die Hose herunterzog und sexuelle Handlungen vornahm.
In der Badewanne in Niederösterreich (bei der neuen Lebensgefährtin R. H.) kam es zu zwei weiteren Vorfällen, bei denen S. zum Masturbieren aufgefordert wurde, beim zweiten Mal wurde dies trotz Verweigerung des Kindes durchgesetzt.
Die Kinder bezeichneten diese Abläufe als Duschritual.

Ermittlungsverfahren und Hausdurchsuchung
Im Herbst 2024 erfolgte die Anzeige, nachdem sich die Buben ihrer Mutter anvertraut hatten, das Mädchen bestätigte, dass ihr Ähnliches widerfahren war.
Es wurde eine Hausdurchsuchung durchgeführt, bei der elektronische Datenträger sichergestellt wurden.
Auf den Datenträgern wurden 114 Bilder und 48 Videos mit Missbrauchsdarstellungen von Unmündigen gefunden. Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe und behauptet, es sei ihm nur um Hygiene und das Waschen der Kinder gegangen. Er gab zu, dass es möglicherweise einen Vorfall im Kinderzimmer von S. gegeben haben könnte.
Ein psychiatrisches Gutachten wurde erstellt
Der Angeklagte äußerte sich darin erneut zu den Vorwürfen und behauptete, bei dem Mädchen seien Ablagerungen in der Vagina gewesen, die er habe reinigen müssen.
Die Kinder wurden sowohl bei der Polizei als auch im Rahmen einer kontradiktorischen Einvernahme kindgerecht befragt. Sie blieben im Wesentlichen bei ihren Aussagen, die sie bereits bei der Polizei gemacht hatten.
Verhalten und Aussagen im Verfahren
Der Angeklagte zeigte während der Verhandlung auffälliges Verhalten, indem er mehrfach in die Hose urinierte, was zu einer einstündigen Unterbrechung führte. Er behauptete, vorab die Toilette benutzt zu haben.
Er gibt an, nicht pädosexuell zu sein, sondern, wenn überhaupt, bisexuell. Er berichtet von einer sexuellen Beziehung mit einer Person namens „Markus“, betont aber, seit dem Kennenlernen der Lebensgefährtin R. H. sexuell so befriedigt zu sein, dass er keine weiteren gleichgeschlechtlichen Bedürfnisse habe, und eigentlich auch nicht an Kindern interessiert sei.
Der Angeklagte hat für sich ein Ampelsystem entwickelt das er während der damaligen ambulanten Therapie gelernt habe, konnte aber auf Nachfrage nicht erklären, warum er dieses benötigt, wenn er angeblich nicht pädosexuell ist.
Er relativiert die Problematik von Missbrauchsdarstellungen im Internet und sieht diese eher als gesellschaftliches Problem, nicht als Problem für sich oder die Kinder.
Verantwortung für die Taten übernimmt er nicht und spielt die Vorwürfe herunter.
Im Verlauf der Verhandlung wurde jedoch von der Verteidigung angekündigt, dass sich der Angeklagte vollumfänglich schuldig bekennen werde und er Therapiebedarf anerkennt.
Polizeiliche und gerichtliche Einvernahmen
Das Mädchen zeigte sich während der Einvernahme sehr nervös und betonte mehrfach, dass ihre Aussagen der Wahrheit entsprechen. Sie berichtet von sehr starken Schuldgefühle, ihr Martyrium hätte sie gerne den Buben erspart, wenn sie nur selbst die Kraft gehabt hätte früher etwas zu sagen. Sie dachte aber man glaubt ihr nicht. Die Buben wirkten ebenfalls glaubwürdig und schilderten die Vorfälle konsistent.
Eine Suggestion, also das Übernehmen fremder Geschichten als eigene, wurde durch die Psychologin bei der kontradiktorischen Einvernahme ausgeschlossen.
Emotionale Belastung der Kinder
A. leidet unter starken Schuldgefühlen, sie sagt, hätte sie früher gesprochen, hätten die Buben das Leid nicht erfahren müssen.
Auch die Buben machen sich Vorwürfe, dass sie niemandem von den Vorfällen erzählt haben, aus Scham und dem Gefühl, ihnen würde ohnehin nicht geglaubt werden, da der Angeklagte eine wichtige Figur in der Familie sei, und sonst ein netter Mann ist.
Funde auf dem Computer des Angeklagten
Auf dem Computer des Angeklagten wurden Missbrauchsdarstellungen gefunden. Herr H. behauptet, Opfer eines Produkts geworden zu sein, bei dem er per E-Mail erpresst wurde, eine Summe zu zahlen, um nicht angezeigt zu werden.
Es wurden vergleichsweise wenige Bilder und Videos gefunden, was darauf zurückgeführt wird, dass der Angeklagte genau weiß, was strafbar ist und was nicht.
Viele der gefundenen Bilder stammen von einer einschlägigen Seite, die in entsprechenden Kreisen bekannt ist und Bilder anbietet, die gerade nicht strafbar sind.
Strafbar sind laut Definition nur Darstellungen, die reißerisch verzerrt und von anderen Lebensäußerungen losgelöst sind, nicht jedoch Nacktfotos von Kindern per se.
Es gibt russische Seiten, auf denen Kinderfotos gesammelt werden, die von Tätern mit pädosexuellen Neigungen genutzt werden. Der Angeklagte hatte auch einige, nicht strafrechtlich relevanten, Bilder von Jugendlichen auf seinen Datenträgern.
Ergebnisse des Gutachtens
Ein psychiatrisches Sachverständigengutachten wurde mündlich von Thomas Memmer vorgetragen.
Der Sachverständige kommt zum Schluss, dass der Angeklagte in einem forensisch-therapeutischen Zentrum untergebracht werden muss. Er erkennt keine Schuld bei sich, sondern spricht beispielsweise nur von Hygiene-Maßnahmen.
Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Angeklagte ohne Behandlung oder Unterbringung erneut Straftaten begehen würde, sobald er Zugang zu Kindern hat, da er eine gewisse Affinität zeigt, trotzdem er ein erfülltes sexuelles Empfinden mit Erwachsenen hat. Wissenschaftlich sei dies im Bereich der Paraphilien zu finden. Pädophilie und andere paraphile Störungen sind nicht mehr als separate Diagnose zu kategorisieren, die Präferenz für sexuelle Aktivitäten mit Kindern ist ein Teil der Paraphilien. Das ICD-11 (Diagnosemanual der WHO) verwendet diesen Begriff Paraphilie um die Anziehung zu Kindern zu beschreiben.
Zusammenfassend wurde der Angeklagte als „tickende Zeitbombe“ bezeichnet, weshalb neben einer Verurteilung auch eine Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum notwendig ist.
Die Sicht der Verteidigung
Die Verteidigerin berichtet, dass sie ursprünglich keine Fälle dieser Art übernehmen wollte, aber durch einen erfahrenen Kollegen darauf hingewiesen wurde, dass solche Menschen schwer krank und keine klassischen Verbrecher seien.
Der Angeklagte wurde in seiner Kindheit selbst Opfer von Missbrauch, was als Erklärung, aber nicht als Entschuldigung für seine Taten angeführt wird.
In Gesprächen mit der Verteidigerin äußerte der Angeklagte, dass es ihm leid tue, dass er Hilfe und Therapie benötigt und diese auch machen möchte. In der Vergangenheit wurde er bereits verurteilt, jedoch nicht ausreichend therapiert, was möglicherweise zu den weiteren Taten geführt hat.
Der Angeklagte äußert den Wunsch, nach erfolgreicher Therapie ein normales Leben mit seiner Lebensgefährtin zu führen.
Die Verteidigung erkennt die schwere und nachhaltige psychische Störung des Angeklagten an, wie sie auch vom Sachverständigen festgestellt wurde.
Die Verteidigung betont, dass die Vorstrafe aus den Niederlanden nach österreichischem Recht mittlerweile getilgt ist. Was einen Wiederruf der bedingt ausgesetzten Strafe nicht zulässt.
Das Urteil
Herr H. wird zu 5 Jahre und 6 Monate Haft, sowie Unterbringung in einem forensischtherapeutischen Zentrum nach § 21/2 StGB verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.