Deutschland kennt bereits strafrechtliche Regelungen gegen unerwünschte Zusendungen sexueller Inhalte, während in der Schweiz bislang eine klare gesetzliche Grundlage fehlt. Der Vergleich zeigt, wie unterschiedlich europäische Rechtsordnungen mit digitaler sexueller Belästigung umgehen, von implizitem Schutz bis hin zur regelrechten Strafbarkeitslücke.
Hintergrund und Ziele der Gesetzesinitiative in Österreich
In Österreich liegt eine Regierungsvorlage vor, dieden Straftatbestand der sexuellen Belästigung im Strafgesetzbuch erweitern soll, um künftig das sogenannte Cyberflashing (das unaufgeforderte Zusenden von Bildern menschlicher Genitalien) unter Strafe zu stellen. Justizministerin Anna Sporrer hat dazu dem Nationalrat eine Gesetzesvorlage vorgelegt. Bisher ist das ungefragte Versenden derartiger Bilder („Dick Pics“) in Österreich nicht ausdrücklich strafbar. Das Ziel der Initiative ist es, Personen besser vor sexueller Belästigung im digitalen Raum zu schützen und internationale Vorgaben umzusetzen. So sieht das Regierungsprogramm der aktuellen Dreierkoalition explizit ein Verbot solcher Bilder durch Schaffung eines neuen Delikts vor. Zudem verpflichtet eine bis 2027 umzusetzende EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen die Mitgliedstaaten, Cyberflashing als Straftatbestand einzuführen.
Wesentliche Inhalte und geplante Maßnahmen in Österreich
Der Tatbestand soll so definiert werden, dass künftig strafbar ist, wer eine Person belästigt, indem er ihr über Telekommunikation oder Computersysteme unaufgefordert und absichtlich Bildmaterial übermittelt, das im Wesentlichen die menschlichen Genitalien zeigt. Erfasst sein sollen sowohl Fotos als auch Videos, einschließlich realer Aufnahmen, bildbearbeiteter Darstellungen oder künstlich erstellter Bilder mit entsprechend eindeutigem Inhalt. Nicht erfasst sein sollen zufällige oder indirekte Abbildungen ohne belästigende Absicht.
Die gesetzliche Strafdrohung ist moderat gehalten: Vorgesehen ist eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder alternativ eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen. Es handelt sich um ein Privatanklagedelikt, wobei Betroffene kein Kostenrisiko tragen sollen, eine wichtige Abweichung von der sonst üblichen Verfahrensregelung. Diese Sonderregelung soll verhindern, dass Opfer aus Furcht vor hohen Verfahrenskosten von einer Anzeige absehen.
Durch diese Regelungen soll sowohl eine Abschreckungswirkung erzielt als auch Opfern ein klares Signal gegeben werden, dass der Staat derartige Übergriffe ernst nimmt. Schließlich dient die Neuregelung auch der Harmonisierung mit internationalen Standards.
Rechtslage in Deutschland
Deutschland hat für das Phänomen der unerwünschten Zusendung pornographischer Bilder bereits eine rechtliche Handhabe, wenngleich kein eigener Cyberflashing-Tatbestand existiert. Das Versenden von ungefragten Penisfotos erfüllt regelmäßig den Straftatbestand der unerlaubten Verbreitung pornographischer Schriften (§ 184 StGB). Dieser umfasst auch digitale Bilder, die pornographische Inhalte zeigen. Entscheidend ist das Fehlen eines Einverständnisses der empfangenden Person.
Die Strafdrohung beträgt Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Besonders streng sind die Regelungen, wenn Kinder unter 14 Jahren betroffen sind, hier greift unter Umständen der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs ohne Körperkontakt, mit entsprechend höheren Strafandrohungen.
In der Praxis kommt es trotz der bestehenden Gesetze nur selten zu Anzeigen. Initiativen wie automatisierte Anzeigeplattformen sollen helfen, die Hürden für Betroffene zu senken. Deutschland erfüllt somit bereits den Schutzgedanken, verortet den Straftatbestand jedoch systematisch im Bereich der Pornografie- und Jugendschutzbestimmungen, anders als Österreich, das Cyberflashing ausdrücklich als Form sexueller Belästigung einordnet.
Rechtslage in der Schweiz
In der Schweiz gibt es bislang weder einen spezifischen Tatbestand für Cyberflashing noch eine eindeutige Anwendung bestehender Normen auf solche Fälle. Der Tatbestand der sexuellen Belästigung oder des Exhibitionismus im Strafgesetzbuch setzt in der Regel eine physische Konfrontation voraus. Auch eine Strafbarkeit als Nötigung oder Beleidigung ist nur schwer begründbar, solange keine weiteren Umstände vorliegen.
Das Schweizer Strafrecht schützt Minderjährige unter 16 Jahren durch das Verbot, ihnen pornographische Inhalte zugänglich zu machen. Werden Dick Pics an Jugendliche verschickt, kann dies also strafbar sein. Werden solche Bilder jedoch an Erwachsene versendet, greift gegenwärtig kein klar definierter Straftatbestand.
Die 2023 erfolgte Reform des Sexualstrafrechts brachte zwar neue Vorschriften zur Weiterverbreitung nicht-öffentlicher sexueller Inhalte (Revenge Porn), das unaufgeforderte Versenden eigener Genitalbilder wird damit jedoch nicht erfasst. Damit besteht in der Schweiz nach wie vor eine Regelungslücke, auf die Betroffenenorganisationen und Juristinnen wiederholt hinweisen.
Der Vergleich
Österreich reagiert mit der geplanten Gesetzesänderung auf ein Phänomen der digitalen Gegenwart und schafft einen klaren, benannten Straftatbestand gegen Cyberflashing. Während Deutschland bereits über anwendbare Normen verfügt, sie aber systematisch anders verortet, besteht in der Schweiz noch eine erkennbare Lücke im Schutz erwachsener Personen vor unerwünschten sexuellen Bildzusendungen.
Mit dieser Reform setzt Österreich ein deutliches Zeichen: Unerwünschte „Dick Pics“ sind keine Bagatelle, sondern künftig ein Straftatbestand, ein Schritt, der der sexuellen Selbstbestimmung im digitalen Zeitalter mehr Gewicht verleiht.