Der aktuelle Jahresbericht des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter (CPT) wirft ein ernüchterndes Licht auf die Zustände in Europas Gefängnissen, Polizeistationen, Migrationszentren und psychiatrischen Einrichtungen. Trotz vereinzelter Fortschritte dominieren strukturelle Probleme wie Überbelegung, Personalmangel, informelle Gewaltstrukturen und rechtsstaatliche Defizite. Besonders kritisch zeigt sich die Lage in der forensischen Psychiatrie – einem Bereich, der oft zwischen Justiz und Gesundheitssystem hin- und hergeschoben wird.
Der 34. Jahresbericht des CPT beleuchtet auch 2024 ein bedrückendes Panorama menschenrechtlicher Herausforderungen in Haft-, Polizei- und Psychiatriesystemen Europas. In 20 Besuchen in 19 Staaten überprüfte das CPT Zustände in Gefängnissen, Polizeigewahrsam, Migrationszentren und psychiatrischen Einrichtungen – und stellte erneut fest: Strukturelle Missstände sind vielerorts an der Tagesordnung.
Ein zentrales Anliegen des CPT bleibt die fortwährende Überbelegung vieler Gefängnisse. Diese führt nicht nur zu unzumutbaren Lebensbedingungen, sondern schwächt das gesamte Haftsystem – mit Gewalt, mangelnden Reintegrationsmöglichkeiten und einem Klima der Hoffnungslosigkeit. Politischer Reformwille sei ebenso notwendig wie gezielte Investitionen, so der Bericht. Auch informelle Häftlingshierarchien bleiben besonders in post-sowjetischen Ländern ein akutes Problem: Inhaftierte übernehmen dort oft faktisch die Kontrolle über große Teile des Vollzugsalltags, mit weitreichenden Folgen für Sicherheit und Menschenwürde.
In psychiatrischen Einrichtungen konstatiert das CPT trotz positiver Entwicklungen weiterhin gravierende Defizite. Besonders kritisch: der übermäßige Einsatz von Medikamenten, fehlende therapeutische Angebote und ein unverhältnismäßiger Rückgriff auf Isolationsmaßnahmen. Die Kommerzialisierung und Standardferne in Migrationslagern, etwa in Italien und Griechenland, zeigen darüber hinaus, dass Menschen in systemischen Ausnahmezonen oftmals besonders verletzbar sind.
Forensische Psychiatrie im Fokus: Zwischen Verwahrung und Vernachlässigung
Besonderes Augenmerk legte das CPT 2024 erneut auf die Situation forensisch untergebrachter Menschen, also Personen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung im Zusammenhang mit einer Straftat in speziellen Einrichtungen untergebracht werden. In mehreren Ländern, darunter Rumänien, Serbien, Albanien und Irland, wurden massive strukturelle Defizite festgestellt: fehlende psychiatrische Versorgung, Überfüllung, bauliche Mängel, mangelhafte Rechtskontrolle sowie problematische Mischunterbringungen mit allgemeinen Strafgefangenen. Insbesondere die Zwangsbehandlung ohne effektive rechtliche und medizinische Kontrolle, der Einsatz von Fixierungen sowie das Fehlen psychosozialer Therapien widersprechen internationalen Standards. In Albanien etwa stellte das CPT fest, dass männliche forensische PatientInnen in einem Provisorium ohne ausreichendes medizinisches Personal untergebracht sind – trotz des erklärten politischen Willens zur Reform. Der Bericht betont: Eine moderne forensische Versorgung muss nicht nur rechtssicher und medizinisch fundiert, sondern auch menschenwürdig sein. Andernfalls droht die Forensik zu einem toten Winkel des Rechtsschutzes zu werden – mit gravierenden Folgen für Betroffene und Gesellschaft.