Justizministerin Zadić sieht Bekämpfung von Kindesmissbrauch als oberste Priorität

Kinderschutz setzte der Nationalrat bei seiner Sitzung am Dienstag, 31. Jänner 2023 ganz oben auf die Agenda. „Kein Kind darf Opfer werden – Justiz-Maßnahmen zum Kinderschutz“: Dieses von den Grünen gewählte Thema der Aktuellen Stunde mit Justizministerin Alma Zadić gab den Abgeordneten Gelegenheit, Stellung zum geplanten Maßnahmenpaket der Regierung zu beziehen, mit dem der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor allem vor sexualisierter Gewalt verstärkt werden soll. Sämtliche Fraktionen bekannten sich bei der Debatte zum bestmöglichen Schutz von Kindern vor Missbrauch. Die Opposition warf der Regierung allerdings vor, erst aktiv zu werden, wenn konkrete Taten mediale Aufmerksamkeit erhalten. FPÖ und NEOS bezogen sich bei ihrem Vorwurf, die Regierung sei säumig, auf eigene diesbezügliche Anträge, die allesamt mehrheitlich vertagt worden seien. Die SPÖ pochte darauf, endlich den Opferschutzorganisationen eine angemessene Basisfinanzierung zur Verfügung zu stellen. Die Koalitionsparteien ÖVP und Grüne wiesen die Vorhaltungen mit dem Hinweis auf schon seit längerem laufende Arbeiten an der gesetzlichen Umsetzung von Kinderschutzkonzepten und entsprechenden Rahmenbedingungen zurück.

Zadić betonte, Kinder leiden an ihnen zugefügtem Missbrauch psychisch oft ein Leben lang. Vorfälle von Kindesmissbrauchsdarstellungen, wie sie jüngst im Fall Teichtmeister publik wurden, seien keineswegs lediglich ein „digitales Delikt„. Neben Prävention und Opferhilfe brauche es daher auch eine höhere Strafdrohung für Kindesmissbrauch und den Besitz entsprechender Darstellungen, um das Unrecht des Vergehens widerzuspiegeln. Generell wertete sie es als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe„, Missbrauch an Kindern entschlossen entgegenzutreten.

Die angedachten Maßnahmen, als Ministerratsvortrag noch nicht in einen Gesetzesvorschlag gegossen, reichen von verstärkter Präventionsarbeit, etwa verpflichtenden Kinderschutzkonzepten an Schulen, bis hin zu erhöhten Strafdrohungen für Sexualdelikte an Kindern und Jugendlichen, wobei auch der Besitz bzw. die Verbreitung von Bildern des Missbrauchs Minderjähriger darunter fällt.

Prävention durch Stärkung von Kinderrechten

Justizministerin Zadić richtete den Fokus auf das Recht jedes Kindes, gewaltfrei aufzuwachen. Der Gesetzgeber habe daher „alles zu tun, dass kein Kind Opfer wird.“ Das von der Regierung anvisierte Maßnahmenpaket baue auf drei Säulen auf, führte sie aus: auf Prävention, wirksamer Strafverfolgung samt Sanktionen und ausgeweitetem Opferschutz. In diesem Zusammenhang sprach sie den bestehenden Opferschutzorganisationen ihren Dank für die tägliche Arbeit zum Schutz der Kinder aus. Die Verfügbarkeit „psychosozialer Nachbetreuung“ der Opfer von Missbrauchsfällen sei jedenfalls sicherzustellen. Für den Ausbau des Opferschutzes seien 3 Mio. € zusätzlich vorgesehen, für Täterarbeit im Strafvollzug 1 Mio. €.

Die Ermittlungskompetenzen in diesem Zusammenhang wolle man besonders hinsichtlich Cybercrime ausweiten, wobei Zadić unterstrich, Online-Darstellungen von missbrauchten Kindern seien keineswegs nur „digitale Delikte„. Der im geltenden Gesetz benutzte Begriff der „Kinderpornographie“ ist in ihren Augen ebenfalls eine Verharmlosung von sexueller Gewalt gegen Kinder. Generell sei es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Missbrauch zu verhindern, rief die Justizministerin zur Zivilcourage bei Verdachtsfällen von Kindesmissbrauch auf.

Im Rahmen der Prävention sollten künftig verpflichtende Kinderschutzkonzepte in Organisationen und Vereinen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, verhindern helfen, dass es „solche abscheulichen Taten gibt„, so Zadić. Die Zuständigkeiten bei Verdachtsfällen wären darin klar darzulegen. Überdies sollten Gütesiegel mit verpflichtenden Qualitätskriterien an Institutionen und Vereine vergeben werden. Letztlich müssten auch die Kinder selbst „wissen, was ein Übergriff ist„, betonte sie. Eine bundesweite Kinderrechtekampagne werde dazu erstmals österreichweit ausgerollt.

Die Justizministerin trat auch für eine Straferhöhung bei Missbrauchsfällen sowie derartigen Darstellungen ein, „damit die Strafen das Unrecht der Tat widerspiegeln„. So sei geplant, den Strafrahmen um jeweils ein Jahr zu erhöhen, auf bis zu fünf Jahren bei Besitz und auf bis zu zehn Jahren bei der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen. Eine „Lücke“ schließe man beim gegenwärtigen Tätigkeitsverbot von Missbrauchstätern, sodass deren Arbeit mit Minderjährigen künftig unterbunden werde.

Gesellschaftliche Verantwortung

Kinderschutz geht uns alle an„, bestätigte Michaela Steinacker (ÖVP), nicht nur wegen der entsprechenden Artikel in der Bundesverfassung. Allerdings gab sie zu bedenken, „Gesetze alleine helfen leider nicht“. Gerade in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung, die die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen erleichtere, habe die Prävention einen hohen Stellenwert. Doch sie hielt auch fest, viele Organisationen in Österreich würden bereits stark an der Bewusstseinsbildung arbeiten. Das einzuführende Gütesiegel für Kinderschutz gebe nun den Eltern die Sicherheit, dass ihr Kind etwa in einem Verein gut aufgehoben ist. Ebenso seien klare Verhaltensregeln für Pädagog:innen, die Kinderschutzkampagne und nicht zuletzt die Stärkung der Strafverfolgung in diesem Bereich wichtige Teile dieses „gelungenen Vorschlags zum Schutz der Kinder„.

Für die Grünen unterstrich Olga Voglauer, Kindesmissbrauch in Österreich sei keine neue Entwicklung. „Strukturelle, systematische Ausübung von Gewalt und sexuellem Missbrauch“ habe es jahrzehntelang gegeben, ohne dass diesen Verbrechen ein gesetzlicher Riegel vorgeschoben worden sei. Die amtierende Regierung schaffe daher nun mit dem geplanten Maßnahmenpaket umfassende Vorkehrungen zum echten Kinderschutz. Das Betreuungsangebot durch Kinderschutzeinrichtungen werde „stark ausgebaut„, man stärke Ermittlungsarbeit durch mehr Personal für das Bundeskriminalamt und härtere Strafen erhöhten die Abschreckung, wobei auch die Täter:innenarbeit ausgebaut werde, um Rückfälle zu verhindern.

Mehr Beratungsstellen zum Schutz vor Kindesmissbrauch

Kein Kind darf Opfer werden„, bekräftigte Selma Yildirim (SPÖ) den Appell im Titel der Aktuellen Stunde, der ihr zufolge in Österreich dringend nötig ist. Schätzungen zufolge seien 25% der Mädchen und jeder achte Bub bereits Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden. Erst ein prominenter Fall von dargestellten „Vergewaltigungen“ von Kindern rücke das Problem in den Fokus, kritisierte sie. Da derartige „Machwerke„, mit denen auch kommerzielle Interessen verfolgt würden, das Leben von Kindern zerstören, nannte Yildirim Käuferinnen und Käufer derartiger Darstellung „Mittäter„. Die SPÖ verurteile jede Art von Gewalt, verdeutlichte die Sozialdemokratin, gegenüber wehrlosen Kindern stelle sexuelle Gewalt aber eine „besonders verabscheuungswürdige Abartigkeit“ dar. Straferhöhungen alleine würden das Problem jedoch nicht lösen, gab sie zu bedenken. Vielmehr brauche es zur effektiven Prävention ein engmaschigeres Netz an Beratungszentren sowie einen Krisenstab von Justiz- und Innenministerium und generell eine maßgebliche Personalaufstockung bei den Ermittlungsbehörden. Zum Durchbrechen der „Gewaltspirale“ sei auch Täterarbeit wichtig.

Härtere Strafen als Abschreckung

Null Toleranz für Kinderschänder“ und null Toleranz für jene, die Missbrauchsdarstellungen ins Netz stellen, verlangte Susanne Fürst (FPÖ). Der Justizministerin hielt sie vor, sich als Abgeordnete 2019 gegen eine Strafverschärfung bei Missbrauch ausgesprochen zu haben. Auch eine ausreichende Personalausstattung im Ermittlungsbereich gebe es immer noch nicht, dabei wären mit geeigneten Vorkehrungen viele Missbrauchsfälle zu verhindern gewesen. Ein weiteres Problem sieht Fürst in der frühzeitigen Sexualisierung von Kindern, wie sie von den Grünen jahrelang propagiert worden sei. Die angekündigten Kinderschutzkonzepte stellen für die Freiheitliche nur eine Menge Bürokratie dar, die zu keiner Verbesserung der Situation führe. Vielmehr brauche es „eine Gesellschaft mit einem Herz für Kinder und Familien„, und keine „linke Schickeria„, die Kindesmissbrauch verharmlose.

Verpflichtende Schutzkonzepte

Warum muss immer erst etwas passieren, dass diese Bundesregierung tätig wird„, stellte Yannick Shetty (NEOS) die rhetorische Frage, um aufzuzeigen, dass Anlassgesetzgebung zur „Schlampigkeit“ verleiten könne. Zu dem Ministerialentwurf meinte er, es sei sicherzustellen, dass Kinderschutzkonzepte an „jedem Ort, bei dem mit Kindern gearbeitet wird“ greifen, auch in föderalen Strukturen. Das skizzierte Berufsverbot für Täter:innen in pädagogischen Feldern begrüßte er, doch hält der NEOS-Mandatar die Ausführung noch für zu vage. Hinsichtlich Täterarbeit vermisst Shetty die Gruppe von Personen „mit einer pädophilen Störung, die noch nicht zu Tätern geworden sind„, die aber durch entsprechende Betreuung vom Missbrauch abgehalten werden könnten. Die 3 Mio. € für psychosoziale Nachbetreuung bezeichnete er als zu gering bemessen und zur Erhöhung des Strafmaßes meinte er, dies „kann ein Baustein sein„, aber kein Mittel, um das Problem tatsächlich zu lösen.

Die Pressemeldung im Original finden Sie hier.

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