Eine Antwort des Rechnungshofs, analysiert von Monika Mokre

Vor ein paar Wochen beantragte ein Gefangener die Freischaltung der Telefonnummer der „Union für die Rechte von Gefangenen“. Der Justizwachebeamte fragte ihn daraufhin: „Wozu braucht ihr denn das, Menschenrechte? Ihr habt doch eh alles, was ihr braucht.

Nun ja. Der Gefangene konnte dem Beamten schon erklären, warum er Rechte braucht und auch, warum er Leute braucht, die ihn bei der Durchsetzung dieser Rechte unterstützen. Und wir wissen das auch. Und jetzt hat auch der Rechnungshof einen Bericht herausgebracht, der deutlich zeigt, dass Gefangenen bei weitem nicht alles haben, was sie brauchen – und noch nicht einmal das, was ihnen nach dem Gesetz zusteht.

3 Stunden Beschäftigung pro Tag

Insbesondere kritisiert der Rechnungshof, dass es zu wenig Arbeitsmöglichkeiten für Gefangene gibt: Die Beschäftigungsquote von Gefangenen ist gering und die von der Justizverwaltung selbst dafür definierten Zielwerte wurden in den letzten Jahren nicht erreicht. 3,16 Stunden Beschäftigung entfielen auf jeden Gefangenen im Jahr 2022. Diese geringe Stundenanzahl liegt u.a. daran, dass Werkstätten sehr häufig geschlossen bleiben – was dann auch dazu führt, dass Gefangene kein Geld verdienen, obwohl sie arbeitswillig sind. (Darüber, dass Gefangene auch dann sehr wenig Geld verdienen, wenn sie arbeiten, sagt der Rechnungshof nichts.)

Wir kennen das Problem der Werkstattschließungen, etwa aus der JA Stein. Als Grund dafür wird zumeist angegeben, dass es zu wenig Personal gibt. Das mag so sein, nachweisen lässt es sich nicht, sagt der Rechnungshof, da es keine Berechnungen zum Personalbedarf in den Justizanstalten gibt. Deutlich zeigt sich allerdings, dass es in den sozialen, psychologischen und psychiatrischen Diensten ständig unbesetzte Stellen gibt, was zu eingeschränkten Leistungen führt. (Anmerkung dazu: Diese Leistungen sind auch dann nicht befriedigend, wenn alle Stellen besetzt sind.)

Keine Basisbildung

Lobend erwähnt der Rechnungshof, dass Gefangene auch ausgebildet werden sollen, damit ihnen nach der Haft die Resozialisierung leichter fällt. Allerdings stellt er auch fest, dass die Ausbildungen nicht auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Gefangenen zugeschnitten sind. Es fehlt an Basisbildung, Deutschkursen und Alphabetisierungen. Auch das ist uns nicht neu – und wir können hinzufügen, dass es durchaus Anbieter*innen solcher Ausbildungen gibt, die auch im Gefängnis arbeiten würden. Aber die bürokratischen Hürden dafür sind hoch, zum Teil unüberwindbar hoch … Hingegen können nicht alle Plätze in den Facharbeiterintensivausbildungen besetzt werden, weil es dafür vielen Gefangenen an Qualifikation mangelt. Aber Leute, die eine solche Ausbildung machen wollen und können, haben oft Probleme, in eine JA verlegt zu werden, in denen sie das tun können – etwa, weil die JA Simmering, die diese Ausbildungen anbietet, überbelegt ist. (Auch dieser letzte Satz steht nicht im Rechnungshofbericht, das wissen wir aus unseren Kontakten mit Gefangenen.)

23 Stunden in der Zelle

Auch hält der Rechnungshof fest, dass es an Beschäftigungsmöglichkeiten am Nachmittag und am Wochenende fehlt. Davon kann sich jede*r überzeugen, der*die sich einmal die Monatspläne mit Freizeitaktivitäten einer JA angesehen hat. Zusätzlich werden diese Aktivitäten dann oft zu einer Zeit angeboten, zu der die Werkstätten geöffnet sind und Gefangene arbeiten müssen – weil zu dieser Zeit mehr JustizwachebeamtInnen im Haus sind, die die Freizeitaktivitäten beaufsichtigen können.

Es lässt sich also zusammenfassen, dass die Ausbildungs- und Freizeitaktivitäten in einer Form organisiert sind, die an den alten Witz erinnern, in dem ein Mann seinen Schlüssel unter einer Laterne sucht, obwohl er ihn ganz woanders verloren hat – weil es unter der Laterne hell ist. Das Gesetz wird nach dem Buchstaben befolgt – es gibt Ausbildungen und es gibt Freizeitbeschäftigungen. Aber weder Ausbildung noch Freizeitbeschäftigung passen zu den Möglichkeiten und Bedürfnissen der Gefangenen. Die Auswirkungen dieser Form der Fehlorganisation fasst der Rechnungshof so zusammen: „Vor allem in Gerichtlichen Gefangenenhäusern waren Häftlinge teilweise bis zu 23 Stunden am Tag in ihren Hafträumen eingesperrt. Dies stand aus Sicht des RH einer Resozialisierung entgegen.“ Dieser Sicht des Rechnungshofs ist wohl zuzustimmen.

Was hinter all diesen Problemen steht, ist ein insgesamter Mangel an Planung, wie der Rechnungshof nie so allgemein, aber sehr oft im Detail festhält: Die Vollzugsplanung stammt in ihren Grundzügen aus dem Jahr 2009 und wurde seither weder evaluiert noch angepasst. Für Freiheitsstrafen unter 18 Monaten fehlt ein Vollzugsplan völlig. Zur Betriebsstruktur in den Anstalten fehlt eine gesamtheitliche Planung. Strategien und Konzepte zur Grundausbildung, insbesondere (aber nicht nur) von Gefangenen mit nicht-deutscher Erstsprache wurde nicht erstellt. Die vorhandenen Ausbildungsprogramme werden nicht gesteuert oder evaluiert. Vollzugslockerungen und bedingte Entlassungen werden in den verschiedenen Gefängnissen in sehr unterschiedlichem Ausmaß gewährt; auch diese Unterschiede werden nicht analysiert.

Hohe Krankenstände der BeamtInnen

Dass diese Situation nicht nur für die Gefangenen, sondern auch für die JustizwachebeamtInnen eine erhebliche Belastung darstellt, zeigen die Krankenstandstage der BeamtInnen. Im Durchschnitt verbringen österreichische ArbeiterInnen und Angestellte 16 Tage pro Jahr im Krankenstand, bei der Justizwache sind es mehr als 28 Tage pro Jahr. In Simmering und Stein stehen die JustizwachebeamtInnen zwischen einem Viertel und einem Drittel ihrer Arbeitszeit nicht zur Verfügung. In jedem privatwirtschaftlichen Unternehmen sind hohe Krankenstandzeiten ein Alarmzeichen; sie zeigen, dass die Arbeitssituation problematisch und unbefriedigend ist. Dies gilt wohl auch für die Justizanstalten, aber eine Ursachenanalyse fehlt auch hier bisher.

Insgesamt meldet der Rechnungshof also Zweifel daran an, dass die Gefängnisse dem Wirkungsziel entsprechen, dass im Bundesfinanzgesetz 2020 festgelegt ist: „Ein moderner, effektiver, humaner und sicherer Straf– und Maßnahmenvollzug, mit besonderem Fokus auf Reintegration und Rückfallprävention.“ Diesen berechtigten Zweifeln wäre noch hinzuzufügen, dass Gefängnisse insgesamt gesellschaftliche Integration und Teilhabe eher verhindern als fördern – doch das ist eine andere Geschichte ….

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