Die Volksanwaltschaft hat im Jahr 2024 in zwei umfangreichen Bänden erneut ein bedrückendes Bild über Missstände in Österreichs Einrichtungen gezeichnet, in denen Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt sind. Besonders im Fokus: der Maßnahmenvollzug. Dieser stellt nicht nur eine massive Einschränkung der Grundrechte dar, sondern offenbart bei näherer Betrachtung strukturelle Defizite, die mit menschenrechtlichen Standards oft nicht mehr vereinbar sind.

System unter Druck: Der Maßnahmenvollzug als Dauerkrise
Laut dem Bericht zur präventiven Menschenrechtskontrolle (Band 2) besuchte die Bundeskommission der Volksanwaltschaft im Jahr 2024 zahlreiche Einrichtungen des Straf- und Maßnahmenvollzugs. Dabei wurden wiederholt gravierende Missstände festgestellt – von überfüllten Anstalten über unzureichende medizinische Versorgung bis hin zur mangelhaften Betreuung psychisch kranker Menschen in Sicherungshaft.
Zentrales Thema war die Situation jener Inhaftierten, die aufgrund psychischer Erkrankungen im Maßnahmenvollzug untergebracht sind. Die Volksanwaltschaft verweist auf einen eklatanten Mangel an geeigneten Behandlungsplätzen, insbesondere im Übergang zwischen stationärer Unterbringung und betreuter Nachsorge. Viele Betroffene verbleiben deshalb länger als medizinisch notwendig in Haft – mit fatalen Folgen für deren psychische Gesundheit und Resozialisierungschancen.
Freiheitsentzug ohne Perspektive
Die Zahl der Beanstandungen in Justizanstalten spricht Bände: Bei 70 Prozent der kontrollierten Einrichtungen wurden menschenrechtlich bedenkliche Umstände festgestellt. Besonders häufig kritisiert wurden:
- Freiheitsbeschränkende Maßnahmen
- Unzureichende Lebens- und Aufenthaltsbedingungen
- Fehlendes oder unterbesetztes Fachpersonal
- Mangelhafte Gesundheitsversorgung
- Defizite bei Bildung und Arbeit innerhalb der Haft
Die Volksanwaltschaft unterstreicht, dass viele dieser Missstände keine Einzelfälle darstellen, sondern strukturelle Ursachen haben. Insbesondere im Maßnahmenvollzug klaffen Anspruch und Realität weit auseinander: Die rechtlich gebotene individualisierte Therapie und Betreuung ist in vielen Fällen bloß Fiktion.
Menschenrechte als gesetzlicher Auftrag, aber nicht gelebte Praxis
Die Volksanwaltschaft hat in ihrer Rolle als Nationaler Präventionsmechanismus (NPM) den klaren Auftrag, Menschenrechte zu schützen. Dieser basiert auf internationalen Verpflichtungen, etwa dem UN-Fakultativprotokoll zur Verhütung von Folter (OPCAT) und der UN-Behindertenrechtskonvention. Dennoch kommt sie zum ernüchternden Schluss, dass Österreich seinen Verpflichtungen – insbesondere im Umgang mit psychisch kranken Straftätern – weiterhin nicht gerecht wird.
Der NPM empfiehlt daher dringend:
- Alternativen zum Freiheitsentzug auszuweiten
- mehr psychosoziale Nachsorgeplätze zu schaffen
- Personal auszubauen und besser zu qualifizieren
- bauliche Mängel zu beseitigen
- Rechtsansprüche Betroffener konsequent zu sichern
Zudem müsse ein Paradigmenwechsel erfolgen, weg von der bloßen Verwahrung hin zu einem menschenrechtskonformen, auf Therapie und soziale Reintegration ausgerichteten Vollzug.
Justiz in der Verantwortung
Auch im Bereich der Justiz kritisiert die Volksanwaltschaft eine Reihe von Missständen: Unverhältnismäßig lange Verfahren, mangelnde Transparenz bei Gutachten sowie unzureichende Rechtsmittelmöglichkeiten für Betroffene. Gerade in Verfahren, die zu einer Unterbringung im Maßnahmenvollzug führen, komme es auf gutachterliche Qualität und richterliche Kontrolle an – beides ist laut Bericht vielerorts verbesserungswürdig.
Der Bericht enthält deutliche Aufforderungen an den Gesetzgeber und das Justizministerium, endlich strukturelle Reformen anzugehen, die seit Jahren diskutiert, aber nie umgesetzt wurden.
Eine Frage der politischen Verantwortung
Der Zustand des Maßnahmenvollzugs ist nicht bloß ein verwaltungsrechtliches oder medizinisches Problem, es ist ein menschenrechtliches. Der Bericht der Volksanwaltschaft führt eindrücklich vor Augen, dass die Menschenwürde auch hinter Gittern nicht enden darf. Doch solange rechtliche Standards nicht mit Ressourcen hinterlegt werden und politische Verantwortung delegiert statt übernommen wird, bleibt der Maßnahmenvollzug ein System der Sicherung, aber nicht der Resozialisierung.
Quellen:
- Bericht der Volksanwaltschaft 2024, Band 1: Kontrolle der öffentlichen Verwaltung
- Bericht der Volksanwaltschaft 2024, Band 2: Präventive Menschenrechtskontrolle
In diesem Zusammenhang kann man auch von einer „strukturellen Gewalt“ sprechen, die Tatsache das der EuGH schon 2 mal !! Österreich wegen Mißstände verurteilt hatte, und es immer noch keine spürbaren Verbesserungen gibt, unterstreicht diese These.
Eigendlich eine Farce, denn unser gnesellschaftlicher Anspruch und Auftrag an den Straf,- & Maßnahmenvollzug ist doch der „bessere Mensch“.