Zusätzliche 135 Planstellen und deutlich mehr Budget für Verteidigerkostenersatz bei Freisprüchen und eingestellten Verfahren

Mit der neuerlichen Aufstockung des Justizbudgets um 15 % können vor allem die Planstellen um 135 erhöht werden, zeigte sich Justizministerin Alma Zadić bei der Behandlung des Budgetvoranschlags für 2024 in der Nationalratssitzung am 21. November 2023 erfreut. Als großen Erfolg wertete sie es auch, dass die Mittel für den sogenannten Verteidigerkostenersatz, der im Fall von Freisprüchen oder Verfahrenseinstellungen vorgesehen ist, von 2,4 Mio. € auf 70 Mio. € erhöht werden konnte. Erstmals seit 16 Jahren würden auch die Gebühren für Gerichtssachverständige angepasst.

Demgegenüber ortete die Opposition noch Handlungsbedarf im Ressort, wobei vor allem Personalprobleme in Haftanstalten, die noch ausstehende Modernisierung des Kindschafts- und Unterhaltsrechts sowie Einsparungen bei der Justizbetreuungsagentur angesprochen wurden.

Rede von Justizministerin Alma Zadic (GRÜNE) Foto: Parlamentsdirektion/Thomas Topf

Seit dem Voranschlag 2020 wurde das Budget für die Justiz sukzessive angehoben, um über ausreichend Ressourcen für die Rechtsprechung, den Strafvollzug sowie mit der Justiz verbundene Bereiche wie Opferhilfe, Erwachsenenschutzvereine, Bewährungshilfe oder Datenschutzbehörde zu verfügen. Auch im nächsten Jahr ist laut Bundesfinanzgesetz eine Erhöhung um rund 311 Mio. €. auf insgesamt 2,4 Mrd. € zu verzeichnen. Damit können die eingeleiteten Initiativen fortgesetzt, Teuerungen und Bezugserhöhungen bedeckt und neue Planstellen finanziert werden. Im Konkreten werden die Planstellen um 135 auf 12.516 aufgestockt, wobei die zusätzlichen Posten auf die Bereiche Gerichte und Staatsanwaltschaften (+97), die Zentralstelle (+28) und den Strafvollzug (+10) entfallen.

Weitere 70 Mio. € sind zudem für den Verteidigerkostenersatz bei Freisprüchen oder Verfahrenseinstellungen reserviert. Erstmals seit 16 Jahren gibt es auch mehr Geld für Gerichtssachverständige, und zwar plus 26,5 Mio. €. Für die Digitalisierungsagenden sind zusätzlich 15,7 Mio. € budgetiert. Neben den zusätzlichen Auszahlungen für Personal (Gehaltserhöhungen, Planstellenbesetzungen und Personalaufstockungen) im Ausmaß von 100,3 Mio. € kommt es zu Steigerungen beim Erwachsenenschutz und der Opferhilfe (+5,3 Mio. €), beim Maßnahmenpaket zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt mit dem Fokus auf sexuelle Gewalt (+2,0 Mio. €) sowie beim Strafvollzug inklusive Maßnahmenvollzug (+37,5 Mio. €).

Im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes wurden 33 Mio. € für die Rehabilitierung und Entschädigung von Personen, die in der Zweiten Republik wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Sexualkontakte strafrechtlich verfolgt bzw. verurteilt wurden, beschlossen. Für jedes aufgehobene Urteil ist demnach eine einmalige Entschädigungszahlung von 3.000 € vorgesehen. Dazu kommen 1.500 € für jedes angefangene Jahr Freiheitsentzug. Auch für eingeleitete – und später eingestellte – Ermittlungsverfahren sowie für besondere berufliche, wirtschaftliche oder gesundheitliche Nachteile wird es Pauschalentschädigungen geben. Ab 2025 sind niedrigere Auszahlungsobergrenzen als 2024 geplant, ist dem mit in Verhandlung stehenden Bundesfinanzrahmen zu entnehmen; dies könnte laut Parlamentarischem Budgetdienst zu einem Anpassungsbedarf führen.

Es brauche einen modernen, verlässlichen Rechtsstaat, betonte Abgeordnete Michaela Steinacker (ÖVP), die auf die Schwerpunkte des Justizbudgets näher einging. Mit den zusätzlichen 310 Mio. € könnten wichtige Projekte in den Bereichen Strafverfolgung, Rechtsprechung, Justizverwaltung und Strafvollzug kontinuierlich weiterentwickelt werden. So sei etwa die vollelektronische Verfahrensführung ein Gebot der Stunde. Weiters würden ausreichend Mittel für den Verteidigerkostenersatz, die Erweiterung der Justizanstalten, den Maßnahmenvollzug sowie den Gewaltschutz zur Verfügung gestellt. Maria Smodics-Neumann (ÖVP) lobte die Anpassung der Gebühren für die Gerichtssachverständigen, während Klaus Fürlinger (ÖVP) die sinkenden Einnahmen durch die Gerichts- und Grundbuchsgebühren thematisierte.

Seit 2019 sei das Justizbudget kontinuierlich und insgesamt um 50 % angestiegen, hob Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer (Grüne) hervor. Es sei auch dringend notwendig gewesen, mehr Mittel sowohl für die personelle als auch die technische Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig sei es gelungen, die Rechte der Opfer vor allem im Bereich des Gewaltschutzes (z.B. Ausbau der Gewaltschutzambulanzen) zu stärken, betonte Prammer. Als äußert positiv bewertete sie die Einigung darauf, sämtliche Personen, die in der Zweiten Republik wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen strafrechtlich verfolgt bzw. verurteilt wurden, zu rehabilitieren und finanziell zu entschädigen. Ihr Fraktionskollege Georg Bürstmayr kam insbesondere auf Verteidigerkostenersatz in Strafverfahren zu sprechen. Es sei eine „himmelschreiende Ungerechtigkeit“, dass die Betroffenen bei Freisprüchen oder eingestellten Verfahren auf ihren Kosten „sitzen bleiben“ würden. Er unterstütze daher die Justizministerin ausdrücklich in ihrem Anliegen, diese Frage noch in der laufenden Legislaturperiode klären zu wollen.

Abgeordnete Selma Yildirim lobte generell die sukzessiven Budgeterhöhungen im Bereich der Justiz sowie die gute Zusammenarbeit mit Ministerin Zadić. Wichtig war es ihr, dass große Reformprojekte wie etwa die Einrichtung eines weisungsfreien Bundesstaatsanwaltes noch weiter vorangetrieben werden. Harald Troch (SPÖ) befasste sich mit der Ausstattung der Justizanstalten, die nun verbessert werden soll. Allerdings gebe es noch Schwachstellen, nämlich was die Rekrutierung der zu besetzenden Dienstposten betreffe. Mehr Fachpersonal müsse auch noch in den Maßnahmenvollzug gebracht werden. Muna Duzdar (SPÖ) setzte sich für eine bessere Erreichbarkeit der Gerichte ein, die über viele Jahre hinweg eingeschränkt wurde. Ihrer Meinung würden die dort herrschenden Personalprobleme vor allem mit den Arbeitsbedingungen und der schlechten Bezahlung der Kanzlisten zu tun haben. Ruth Becher (SPÖ) zeigte sich enttäuscht darüber, dass es wieder zu keiner Reform des Mietrechts kommen werde.

Es bestehe kein Anlass, in Jubel auszubrechen, urteilte Abgeordneter Harald Stefan (FPÖ) an, da sich der Staat aufgrund der Mittelerhöhungen für fast alle Ressorts massiv verschulde. Erfreulich sei jedoch, mit der Budgetierung des Verteidigerkostenersatzes eine langjährige Forderung der FPÖ umgesetzt werde. Einmal mehr beklagte er sich, dass keine Entschädigungen für jene Personen vorgesehen sind, die auf Basis von gesetzwidrigen Covid-Verordnungen psychischen, physischen oder finanziellen Schaden erleiden mussten. Dazu brachte er auch einen entsprechenden Antrag ein. Christian Ragger (FPÖ) trat – auch in Form einen Entschließungsantrags – abermals für die Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung ein. Ein von Christian Lausch (FPÖ) vorgelegter Entschließungsantrag zielte auf den Abschluss von Staatsverträgen zur Verbüßung von Haftstrafen von in Österreich verurteilten Straftäter:innen in ihren Heimatländern ab. Viel Geld einsparen könnte man zudem bei der „sündteuren“ Justizbetreuungsagentur, zeigte er sich überzeugt.

Johannes Margreiter (NEOS) räumte ein, dass es im Justizsektor gelungen sei, einiges zu verbessern. Vor allem die Aufstockung der Planstellen werde der Qualität der Justiz gut tun. Er begrüßte zudem ausdrücklich den Budgetansatz für den Verteidigerkostenersatz für all jene Personen, die frei gesprochen wurden oder deren Verfahren eingestellt wurden. Einige Punkte, die sich im Regierungsprogramm finden, wurden jedoch nicht angegangen, bemängelte Margreiter. Als Beispiele führte er die Abschaffung des Verschuldensprinzips im Scheidungsrecht, die Neuordnung des Kindschaftsrechts oder die Klärung der Frage der Doppelresidenz an.

Mit dem vorliegenden Budget 2024 werde es gelingen, das Funktionieren eines stabilen Rechtsstaates auch über die aktuelle Gesetzgebungsperiode hinaus abzusichern und mögliche Krisen gar nicht erst entstehen zu lassen, meinte Justizministerin Alma Zadić. Da eine starke und unabhängige Justiz eine der tragenden Säulen der Demokratie sei, müssten dafür ausreichend Ressourcen bereitgestellt werden. Die kontinuierliche Erhöhung der Budgets in den letzten vier Jahren hätte zu resilienteren Strukturen geführt, was sich auch im vorliegenden Haushaltsentwurf widerspiegle. Seit ihrem Amtsantritt wurden über 800 Mio. € zusätzlich ausgeschüttet und insgesamt 650 neue Planstellen geschaffen, hob die Ministerin hervor. Auch im nächsten Jahr soll es unter anderem 30 zusätzliche Posten für RichterInnen und 20 für juristische MitarbeiterInnen geben. Von einem „stillen Tod der Justiz“ könne daher keine Rede mehr sein.

Im Besonderen machte Zadić darauf aufmerksam, dass sich die Regierung auf ausreichende Mittel für die geplante Implementierung von Gewaltambulanzen einigen konnte. Sie halte es für sehr wichtig, dass es Orte gebe, wo Spuren von Gewaltverletzungen untersucht und „gerichtsfest“ gemacht werden können. Ein großer Fortschritt sei aus ihrer Sicht auch die Rehabilitierung und Entschädigung all jener Personen, die in der Zweiten Republik wegen homosexueller Handlungen strafrechtlich verfolgt bzw. verurteilt wurden. Sie habe sich bereits vor einigen Jahren im Namen der Justiz für dieses Unrecht entschuldigt. Die Entschädigungen sehe sie als Verantwortungsübernahme durch den Staat und eine wichtige symbolische Geste. Weiters erwähnte sie die Erhöhung der Gebühren im Sachverständigenwesen, die seit 2007 nicht mehr angepasst wurden. Bezüglich der konkreten Umsetzung des Verteidigerkostenersatzes, der nunmehr statt 2,4 Mio. € mit 70 Mio. € budgetiert sei, würden noch Gespräche mit der Rechtsanwaltskammer laufen.

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