Ein Bericht über das System des Einkaufens in Haft für alle, die noch nie in dieser Situation waren, am Beispiel der Justizanstalt (JA) Wien-Josefstadt.

Vorbemerkung: Jede JA hat ihre eigenen Abläufe. Es muss also nicht überall genau so ablaufen wie in der JA Wien-Josefstadt. Das Grundlegende am System bleibt jedoch gleich.

Jeden Donnerstag ist „Ausspeis“ in der Josefstadt. Da erhalten die InsassInnen die von Ihnen eine Woche davor bestellten Waren ausgehändigt. Die Bezahlung erfolgt bargeldlos. Der Betrag wird vom Hausgeld der jeweiligen „Kundschaft“ abgebucht.

Die Bestellung erfolgt mittels Bestellformulars. Auf diesem sind die Produkte und der Preis ausgewiesen. Derzeit sind 712 Produkte im Angebot:  Lebensmittel, haltbar oder frisch. Kosmetik Produkte. Hygiene Artikel. Aber auch Naschereien, Softdrinks, Waschmittel. Wer kochen darf und auch Lust und das Händchen dafür hat, kann edles Rapsöl erwerben. Für die Kochmuffel gibt’s Dosenfutter von Inzersdorfer: Gulaschsuppe, gefüllte Paprika, Chilli con carne. Wer in der Freizeit in der Kraftkammer werkt, kann sich mit Brausetabletten mit Magnesium, Calcium oder Multivitamin aufpeppen.

Die „Kundschaft“ kreuzt auf der Liste das Produkt an und schreibt die gewünschte Stückzahl in eine dafür vorgesehene Spalte. In eine weitere Spalte wird der Gesamtpreis eingetragen. Also, wenn jemand 5 Tafeln Schokolade zu je 1,49 Euro bestellt. Schreibt er oder sie in diese vierte Spalte dann den Betrag von 7,45 Euro hinein. Zum Schluss muss der Preis aller bestellten Produkte addiert werden. Gerechnet wird im Kopf. Geschrieben mit der Hand. Wir wollen hoffen, dass alle soweit rechnen, schreiben und lesen können. Vor allem in einer ihnen fremden Sprache. Aber für sie findet sich dann hoffentlich ein freundlicher Mitinsasse, eine Mitinsassin, die unterstützten.

Mehrere Tage vor dem Einkauf müssen die ausgefüllten Bestell-Listen abgegeben werden. Eine nachträgliche Bestellung ist nicht möglich. Diese Bestellungen kontrolliert ein dafür bestimmter Hausarbeiter: Stimmen die Additionen? Und, was ganz besonders wichtig ist: Hat der Insasse, die Insassin genug Geld am Hauskonto, um sich den Einkauf überhaupt leisten zu können?

Hier erhebt sich für mich die Frage, wie das mit dem Datenschutz und der Vertraulichkeit ist: Jetzt weiß Hausarbeiter A also, dass Mitinsasse X auf seinem Hausgeldkonto 7,50 Euro hat. Mitinsasse Y hingegen, hat mehrere 100 Euro auf seinem Konto. Hausarbeiter A hat also Informationen über Mitinsassen, die er durchaus für seine Zwecke nutzen könnte. Wir wollen hier dem armen Mann aber nichts unterstellen und annehmen, dass er über die gewonnenen Informationen wie das sprichwörtliche Grab schweigt und auch sonst keinerlei Nutzen daraus zieht.

Das sogenannte Hausgeld

Mit dem Geld auf diesem Konto können Insassen und Insassinnen wirtschaften. Sie kaufen bei der Ausspeis ein. Sie überweisen von hier Geld auf ihr Telefonkonto. Sie bezahlen die Briefmarken, die auch in der Ausspeis zu haben sind. Theoretisch können sie auch von ihrem Hausgeldkonto auf das Hausgeldkonto eines anderen Insassen, einer anderen Insassin einen Betrag überweisen. Wenn zum Beispiel ein Ehepaar in Haft ist. Sie hat Arbeit. Er hat keine. Dann könnte sie ihr Geld mit ihm teilen, damit er sich seine Zigaretten kaufen kann, ohne die es ihm ganz erbärmlich schlecht gehen würde.

Das Konto wird aus verschiedenen Quellen gespeist: wer Freunde, Bekannte, Verwandte „draußen“ hat oder sogar über ein eigenes Vermögen verfügt, das von der Justiz nicht gesperrt wurde, kann Geld überwiesen bekommen. Wenn ein Insasse, eine Insassin zu den Glücklichen in der Anstalt gehört, die regelmäßig arbeiten können, wird ein Teil ihres Arbeitslohnes dem Hausgeldkonto gutgeschrieben. Das sind im Fall von Florian F. genau 1,89 Euro für eine Stunde Arbeit. Ist Florian F. krank und daher unverschuldet arbeitslos, erhält er 0,36 Euro als Entschädigung. (Vergl. Blickpunkte Winter 2023/ Frühjahr 2024 S.40ff.)

Nehmen wir an, dass Florian F. bei guter Gesundheit ist und sein Betrieb trotz Personalmangels, Krankenstände und Urlaube der Justizwache durchgehend geöffnet ist. Nehmen wir weiter an, dass er 20 Stunden in der Woche arbeitet. So hat er Ende Februar (ich nehme diesen Monat, weil er mathematisch praktisch ist) 4 mal 20 Stunden gearbeitet. Das macht 80 x 1,89 Euro. Er hat also Ende Februar 151,20 Euro auf seinem Hausgeldkonto. Oder pro Woche 37,80 Euro.

Von solchen Beträgen können viele Insassen und Insassinnen nur träumen, da eine durchgehende tägliche Arbeit vor allem in den Sommermonaten kaum möglich ist. Aber auch außerhalb der Urlaubssaison, bleiben viele Betriebe tageweise und auch wochenlang geschlossen.

Wenn Rene B. im ganzen Februar unverschuldet arbeitslos war und in seinem derzeit geschlossenen Betrieb auch 20 Stunden gearbeitet hätte, dann hat er am Ende des Monats 28,80 Euro auf seinem Hausgeldkonto. Pro Woche stehen ihm dann 7,20 Euro zur Verfügung.

Der Preisvergleich

Wie ich vorgegangen bin: Ich habe mehr oder weniger willkürlich aus dem Warenangebot einzelne Produkte herausgegriffen. Aus dem Angebot für Drogeriewaren, fertige Lebensmittel, Kochzubehör, Naschereien sollte jeweils etwas dabei sein.

Mit dieser Liste ging ich zuerst in die beiden Geschäfte, die meiner Wohnung am nächsten liegen und wo ich selbst regelmäßig einkaufe: Ein kleiner BILLA und ein BIPA. Ich rechnete bei dieser Recherche nicht die Möglichkeit der 25% Pickerl, die man auf drei Produkte pro Einkauf kleben kann mit ein, da ja im Gefängnis diese Möglichkeit nicht besteht.

Da es sich bei der Warenliste der Ausspeis jeweils um genaue Markenbezeichnungen handelt und ich identische Produkte vergleichen wollte, musste ich für manche Waren zum nächstgelegenen BILLA plus und DM-Markt gehen, da nicht alle Marken in den Geschäften in meiner Nähe zu haben sind.

Die Ausspeisliste stammt von Anfang Jänner 2024. Den Preisvergleich stellte ich im Monat Jänner 2024 an.

Das Ergebnis trug ich in eine Excel Liste ein:

ProduktPreis JAPreis Bipa/ DM
Müllsäcke 30x25l/ 50x25l2,691,19
O.B. normal 64er7,595,95
Always Daily3,092,66
SentaBinden 18 Stück2,492,24
GlemVit.Shamp3,592,45
KukidentTabs 60 Stck5,395,45
Axe Duschgel 250ml3,993,95
PalmolivFlüssigseife 300ml3,391,33
Gilette Rasierschaum 200ml2,592,65
Coral Color Waschm. 1,25 l9,495,95
39,02332,63
 Preis JAPreis Billa/ Billa plus
Inzersdorfer Bohnensuppe 400g3,292,89
Inzersdorfer Chilli con Carne 400g3,293,49
1 kg Feinkristall Zucker1,591,59
Kellogs Smacks 400g4,693,49
Brause Tabletten Mulitivitamin1,490,99
….Magnesium1,490,99
….Calcium1,490,99
Mautner Sirup Himbeer4,293,99
Wasa Knäcke 200g2,191,99
Bananen 4 Stck2,290,58
Mautner Estragon Senf 200g1,891,89
Maggi Rindsuppenwürfel 12 Stck2,291,69
Maggi Gemüsesuppenwürfel 12 St2,291,69
Nescaffee classic 200g10,195,49
Milka Haselnuss 100g1,491,39
4 Diamanten Thunfisch 195g3,63,39
47,8536,53

Was auf den ersten Blick auffällt

Bei den Nahrungsmitteln beträgt der Preisunterschied in der Summe 11,32 Euro. Florian F. muss also beinahe sechs Stunden länger arbeiten, um sich zu seinem Stundenlohn von 1,89 Euro die Waren leisten zu können, als wenn er sie zu den „regulären“ Preisen erstehen könnte.

Bei den Drogeriewaren ist der Preisunterschied etwas geringer. Die Einkaufsliste dieser Produkte ist auch kürzer. Und es handelt sich um typisch weibliche und typisch männliche Bedarfsartikel.

Der Preisunterschied für die Produkte der Monatshygiene von Frauen wiegt besonders schwer: Denn hier kann sich frau ja nicht aussuchen, ob sie solche Produkte auf der Ausspeisliste ankreuzt. Solange sie im gebärfähigen Alter ist, fordert ihr Körper, ihre Natur, monatlich diese Vorsorge ein. Das bedeutet, dass Fiona W. monatlich vier Stunden allein für ihre Monatshygiene arbeiten muss. Dabei ist noch nicht einmal sicher, ob sie den gleichen Stundenlohn wie Florian F. bekommt. Denn Frauenjobs in der Haft sind zum Teil schlechter bezahlt als die der Männer. (Das auszuführen sprengt hier den Rahmen und wäre Thema einer eigenen Untersuchung).

Besonders große Preisunterschiede

Waschmittel ist im Gefängnis fast doppelt so teuer wie im Drogeriemarkt. Ebenso groß in der Relation, wenn auch nicht in Euro, ist der Unterschied bei Müllsäcken. Beide Produkte sind keineswegs Luxusartikel, sondern Artikel des täglichen Bedarfs. Ebenso die Seife, die fast dreimal so teuer ist.

Bananen und Kaffee sind bei den Lebensmitteln die „Sieger“, wenn es um den eklatantesten Preisunterschied geht.

Und dann gibt es einige wenige Produkte, die auf der Ausspeis Liste um ein paar Cent billiger sind: Männer in Haft kaufen ihren Gilette Rasierschaum günstiger ein als Männer „draußen“. Und wer in der Haft Kukident Tabs für seine Dritten Zähne benötigt, fährt auch besser als die Kollegen in Freiheit. Das ist nur relativ betrachtet, solange man nicht mit bedenkt, dass Florian F. ja nur 1, 89 Euro pro Arbeitsstunde für die Ausspeis zu Verfügung hat.

Offen bleibt in diesem Vergleich, wie es zu den Preisen auf der Ausspeisliste kommt. Warum manche Produkte so viel teurer, manche ein bisschen teurer und einige wenige sogar billiger sind.

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