OGH-Urteil klärt Anordnungskompetenzen in Behinderteneinrichtungen
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat mit einem Beschluss vom 23. Oktober 2024 (7 Ob 141/24x) klargestellt, dass freiheitsbeschränkende Maßnahmen in Behinderteneinrichtungen ausschließlich von qualifiziertem Fachpersonal mit entsprechender Ausbildung angeordnet werden dürfen. Dieses richtungsweisende Urteil unterstreicht die Bedeutung gesetzlich definierter Kompetenzbereiche und sorgt für klare Verhältnisse in der Praxis.
Die Ausgangslage

Im vorliegenden Fall ging es um eine Bewohnerin mit hochgradigem Pflegebedarf, die in einer Behinderteneinrichtung lebte. Aufgrund von Sturzgefahr und körperlicher Instabilität wurden freiheitsbeschränkende Maßnahmen ergriffen durch Seitenteile am Bett und Fixierungsgurte am Rollstuhl. Diese Maßnahmen wurden von der Einrichtungsleiterin, einer Sozialpädagogin ohne pflegerische Ausbildung, angeordnet. Der Verein „Vertretungsnetz“ stellte daraufhin durch seine Bewohnervertretung die Rechtmäßigkeit der Anordnungen infrage.
Wichtige Eckpunkte des Urteils
- Pflege als geschützter Kompetenzbereich: Der OGH stellte fest, dass die Maßnahmen an die körperliche Befindlichkeit der Bewohnerin und die unmittelbare Gefahrenabwehr (Sturzgefahr und Instabilität) anknüpften. Solche freiheitsbeschränkenden Maßnahmen fallen gemäß § 5 Abs. 1 HeimAufG in den Verantwortungsbereich des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege.
- Keine Kompetenz für pädagogisches Personal: Maßnahmen mit pflegerischem Charakter können nicht von Personen ohne entsprechende fachliche Qualifikation angeordnet werden. Laut OGH ist es unerheblich, ob eine Einrichtungsleiterin über allgemeine Erfahrungen im Bereich Pflegeassistenz verfügt – entscheidend ist die formale Qualifikation.
- Abgrenzung von pflegerischen und pädagogischen Maßnahmen: Freiheitsbeschränkungen mit ausschließlich pflegerischen Zielen (z. B. Vermeidung von Stürzen) dürfen nicht als pädagogische Maßnahmen qualifiziert werden. Der OGH schließt damit aus, dass pädagogisches Personal ohne pflegerische Ausbildung solche Maßnahmen anordnet.
- Strikte Anforderungen an die Anordnungskompetenz: Gemäß § 5 HeimAufG dürfen pflegerische Freiheitsbeschränkungen nur von einer diplomierten Pflegekraft oder einem Arzt angeordnet werden. In Fällen, in denen keine interne Fachkraft verfügbar ist, muss extern qualifiziertes Personal hinzugezogen werden.
Konsequenzen für die Praxis
Das Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf die Arbeit in Behinderteneinrichtungen. Einrichtungen müssen sicherstellen, dass pflegerische Aufgaben ausschließlich von entsprechend ausgebildetem Personal übernommen werden. Die Trennung von pflegerischen und pädagogischen Tätigkeiten wird weiter geschärft, um den Schutz der Bewohner und die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu gewährleisten.
Zitat aus dem Urteil:
„Die Abgrenzung zwischen pflegerischen und betreuerischen Maßnahmen orientiert sich daran, ob eine Maßnahme wegen der unmittelbaren Gefahrenabwehr aufgrund des körperlichen Befindens (Pflege) oder vor dem Hintergrund einer entwicklungsfördernden Maßnahme erfolgt“ (7 Ob 141/24x, Abs. 4.3).
Dieses Urteil setzt einen klaren Standard für die Anordnungskompetenz in Behinderteneinrichtungen und stärkt die Rechte der Bewohner. Es zeigt deutlich, dass der Schutz vulnerabler Personen nur durch den Einsatz qualifizierten Fachpersonals gewährleistet werden kann. Einrichtungen sind daher in der Pflicht, ihre internen Strukturen und Prozesse entsprechend anzupassen.
Eine sehr gute Entscheidung, wäre eigendlich auch auf den Straf,- und Maßnahmenvollzug auszuweiten.
Hoffe das auch genügend finanzielle Mittel für die Einrichtungen frei gesetzt werden. Es klingt natürlich nett Externe qualifizierte Entscheider* innen einzusetzen sollte kein qualifiziertes Pflege Personal in der Einrichtung zu Verfügung stehen – dieser Umstand ist lt. Angehörigen, in den meisten Einrichtungen welche für Menschen mit besonderen Bedürfnissen zuständig sind üblich.
Der nicht seltene Akut Fall bei Selbst, und/oder Fremdgefährdung z..B, wird vom OGH jedoch nicht klar definiert. Damit bleibt den Betreuer*innen zum Schutz aller Beteiligten eigendlich wieder nur ein Hilferuf bei 133., oder 112, denn dort ist man in der Regel schneller vor Ort, anschließend entscheidet eine herbei gerufene Amtsärztin oder Amtsarzt. Ein kompliziertes Prozedere, doch wenn es dem Schutz von den Rechten der Menschen geht ist es das Wert.