Stellungnahme von Organisationen des Netzwerks Kriminalpolitik

Am 15. Dezember wird voraussichtlich die Reform des Maßnahmenvollzugs im Nationalrat beschlossen. Organisationen des Netzwerks Kriminalpolitik haben eine gemeinsame Stellungnahme verfasst. Fazit: positive erste Schritte, denen dringend weitere folgen müssen.

Als „grundrechtlich bedenklich“ bezeichnet Bernhard Fink, Vizepräsident des Rechtsanwaltskammertags, dass aufgrund von Überbelegung und beschränkten Ressourcen Menschen im Maßnahmenvollzug nicht ausreichend betreut werden. Der nun vorliegende Entwurf zur Reform des Maßnahmenvollzugs wird zwar von den unterzeichnenden Vertreter:innen des Netzwerks begrüßt, zur Lösung der grundrechtlichen Problematik bedarf es allerdings vieler weiterer Schritte.

Im Gesetzesentwurf wird explizit erwähnt, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für künftige Straftaten mit schweren Folgen gegeben sein muss, um einen Straftäter in einem forensisch-therapeutischen Zentrum unterzubringen“, sagt Alois Birklbauer, Universitätsprofessor und Leiter des Instituts für Strafrechtswissenschaften an der JKU Linz. „Diese Formulierung ist neu und ein Fortschritt, da sie der Praxis einen klaren Rahmen vorgibt.“

Die höheren Einweisungsvoraussetzungen gehen zwar in die richtige Richtung, bleiben jedoch wesentlich hinter den Forderungen des Netzwerks zurück. „Wir befürchten, dass das neue Gesetz kaum zu einer Reduktion der Einweisungen führt und bleiben bei unserer Forderung, dass nur Verbrechen und nicht Vergehen Anlass für eine möglicherweise lebenslange Anhaltung sein können“, sagt der Kriminologe Wolfgang Gratz.

Dass bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen als Anlasstat nur Verbrechen in Frage kommen, die mit einer Haftstrafe von mehr als zehn Jahren bedroht sind, wird vom Netzwerk positiv bewertet. Die Übergangsbestimmungen sehen vor, dass Personen, die bereits im Maßnahmenvollzug untergebracht sind und auf die die neuen Einweisungsvoraussetzungen nicht zutreffen, bei der nächsten anstehenden Überprüfung ohne Probezeit entlassen werden. Durch eine unbedingte Entlassung gibt es keine Möglichkeit entlassungsbegleitende Therapien anzuordnen. „Das kann bedeuten, dass entlassene Menschen sich eine dringend notwendige Therapie schlicht nicht leisten können“, sagt Christoph Koss, Geschäftsführer von NEUSTART. „Dem muss durch rechtzeitige Entlassungsvorbereitung und ein breites Angebot von Nachbetreuung gezielt gegensteuert werden.“

Generell fordert das Netzwerk Kriminalpolitik eine Gesamtreform des Maßnahmenrechts und des Maßnahmenvollzugs. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine Lösung zwischen Bund und Ländern, da der Vollzug von Unterbringungen nach §21 Abs 1 StGB im Gesundheits- und Sozialsystem der Bundesländer durchgeführt werden sollte.

Der Maßnahmenvollzug und die Nachsorge für psychisch kranke Menschen sind kostenintensiv. „Eine Reform ist wichtig für die Sicherheit unserer Gesellschaft und die Grund- und Menschenrechte von psychisch Kranken“, sagt Kriminologe Gratz. „Daher darf eine solche Reform nicht am Geld scheitern.“

Die gesamte Stellungnahme ist hier veröffentlicht und ergeht im Namen folgender Personen und Organisationen: Österreichischer Rechtsanwaltskammertag, Vereinigung österreichischer Strafverteidiger:innen, Weißer Ring, NEUSTART, Institut für angewandte Rechts- und Kriminalsoziologie der Universität Innsbruck, Univ.Prof. Dr. Alois Birklbauer (Institut für Strafrechtswissenschaften JKU Linz), Univ.Prof. Dr. Christian Grafl (Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien).

Die APA-OTS im Original finden Sie hier.

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