Spätestens seit dem Schlussbericht der Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug im Jahr 2015 war allen klar, dass es eine grundlegende Reform dringend braucht, um den Maßnahmenvollzug menschenrechtskonform zu gestalten. Die nun vorliegende Regierungsvorlage nimmt nur wenige Reformvorschläge auf, schafft aber dafür die Möglichkeit, Terroristen in den Maßnahmenvollzug einzuweisen.

Nach jahrelangen Verzögerungen, nachdem eine Arbeitsgruppe des Bundesministeriums für Justiz gravierende Missstände festgestellt hat und 92 Reformvorschläge unterbreitet hat, nach einem Höchststand an Untergebrachten im Maßnahmenvollzug von 1.400 Menschen und nach Kritik am bisherigen System des Maßnahmenvollzugs von allen Seiten, wurde nun eine Regierungsvorlage präsentiert, die noch im Dezember dieses Jahrs im Parlament beschlossen werden soll.

Vorab muss man betonen, dass die Reform des Vollzugs der präventiven Anhaltung zu einem späteren Zeitpunkt kommen soll, also die Reform aufgeteilt wird. Wann das dazu nötige Maßnahmenvollzugsgesetz beschlossen werden soll, ist noch offen.

Leider wurden sehr viele Vorschläge nicht oder nur ungenügend umgesetzt. Beispielsweise ist die Einweisung in den Maßnahmenvollzug nicht Ultima Ratio, kann also auch dann verhängt werden, wenn gelindere Mitte ausreichen würden. In den Erläuterungen findet man dazu keine Begründung. Gerade bei einem derart gravierenden Eingriff in die persönliche Freiheit, einer potenziell lebenslangen Anhaltung im Maßnahmenvollzug, sollte jede Alternative sorgfältig geprüft werden.

Die Anhaltung in eigenen therapeutischen Anstalten würde dem, von der Rechtsprechung des EGMR eingeforderten, Abstandsgebot am besten Rechnung tragen.

Markus Drechsler

Ebenso nicht aufgenommen wurde der Vorschlag, psychisch kranke Rechtsbrecher nicht in Justizanstalten zu behandeln. Die Therapie (meist medikamentös oder mit Psychotherapie) sollte im Vordergrund stehen. Zurzeit sind viele Untergebrachte in sogenannten „Departments“ in den Justizanstalten Graz Karlau, Garsten und Stein untergebracht. Die Anhaltung in eigenen therapeutischen Anstalten würde dem, von der Rechtsprechung des EGMR eingeforderten, Abstandsgebot am besten Rechnung tragen.

Überhaupt keine Veränderung findet sich in der Regierungsvorlage zur oft kritisierten Qualität der forensisch psychiatrischen Gutachten im Einweisungs- und Entlassungsverfahren. Statt Qualitätskriterien, wie beispielsweise in Deutschland, zu etablieren und somit die Gutachten durch die Richterinnen und Richter nachvollziehbarer zu machen, bleibt es hier beim alten System. Auch der geforderte Lehrstuhl für forensische Psychiatrie an einer Universität wurde nach wie vor nicht geschaffen.

Positiv ist zu bemerken, dass Jugendliche nicht mehr so leicht eingewiesen werden sollen und auch die Anhaltung eine Begrenzung hat. Ebenso positiv sind die Änderungen der Begrifflichkeiten. Der Begriff „geistige oder seelische Abartigkeit von höherem Grad“ soll etwa durch eine neutralere, weniger stigmatisierende Formulierung ersetzt werden, nämlich „schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung„. Neu heißt es dann auch „strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum“ statt „Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher„.

Totes Recht wird wieder zum Leben erweckt

Im § 23 StGB, dem Maßnahmenvollzug für gefährliche Rückfalltäter, bisher nahezu gar nicht angewandt, wird eine Sonderbestimmung für Terroristen eingeführt. Hier reicht schon eine einzige unbedingte Verurteilung wegen schwerer vorsätzlicher Gewalt, Terrorismus oder einer gemeingefährlichen Handlung von mehr als zwölf Monaten. Die Anlasstat muss dann ein „Terrordelikt“ mit einer Verurteilung zu mindestens 18 Monaten Freiheitsstrafe sein. Außerdem muss die Befürchtung bestehen, dass weitere Straftaten mit schweren Folgen begangen werden. Wer diese Befürchtung wie aufstellt, bleibt fraglich.

Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 6/22 von Anwalt Aktuell.

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