Der erste Teil der Reform des, seit Jahren in der Kritik stehenden, Maßnahmenvollzug ist nun teilweise in Kraft getreten. Es gibt auch offensichtliche Fehler im System. Auf drei konkrete Fälle möchte ich hier näher eingehen.

Ende letzten Jahres wurde nach vielen Jahren des Wartens endlich der erste Teil der Reform des Maßnahmenvollzugs im Parlament präsentiert. Beschlossen wurden Neuregelungen vor allem im Einweisungsverfahren, für Jugendliche und Junge Erwachsene sowie auch Änderungen bei der nicht mehr zeitgemäßen Terminologie. Mit den Stimmen der Regierungsparteien und ohne Zustimmung der Oppositionsparteien passierte das „Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022„, ein sperriger Titel, den National- und Bundesrat.

Die umfassenden Änderungen im Strafgesetzbuch (StGB), der Strafprozessordnung (StPO), dem Strafvollzugsgesetz (StVG) und dem Strafregistergesetzes traten mit 1. März 2023 in Kraft, die Änderungen im Jugendgerichtsgesetz (JGG) werden mit 1. September 2023 in Kraft treten.

Die wesentlichsten Änderungen im StGB sind die Änderungen der Einweisungskriterien und die Anpassung der Sprache. So heißt es jetzt im § 21 StGB nicht mehr „Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher“ sondern „Strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum„.

Auch abseits des Maßnahmenvollzugs für psychisch Kranke gibt es Änderungen: Im § 23 StGB, der Unterbringung für Rückfallstäter wird eine Sonderbestimmung für Terroristen eingeführt. Hier reicht (anders als bei anderen Delikten) schon eine einzige Vortat für den Maßnahmenvollzug aus. Diese muss wegen schwerer vorsätzliche Gewalt, Terrorismus oder einer gemeingefährlichen Handlung erfolgt sein und zu einer Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als zwölf Monaten geführt haben. Die Anlasstat muss dann ein „Terrordelikt“ mit einer Verurteilung zu mindestens 18 Monaten Freiheitsstrafe sein. Außerdem muss die Befürchtung bestehen, dass weitere Straftaten mit schweren Folgen begangen werden.

Fehler 1: Unbedingte Entlassung von Untergebrachten

Mit dem Inkrafttreten der Änderungen im JGG unter Berücksichtigung der Übergangsbestimmungen werden ab September 2023 um die 50 (laut Auskunft des Bundesministerium für Justiz) Untergebrachte unbedingt entlassen. Diese waren zum Tatzeitpunkt Jugendliche oder junge Erwachsene (also bis 21 Jahre alt) und wären mit der nunmehr geltenden Rechtslage gar nicht eingewiesen worden. In vielen Fällen würde der Strafrahmen der Anlasstat zu gering sein. Konkret heißt es in den Übergangsbestimmungen:

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes Untergebrachte, bei denen die
erstmalige Überprüfung der Notwendigkeit der weiteren Unterbringung nach Inkrafttreten ergibt, dass sie
nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes überhaupt nicht untergebracht werden dürften, sind
unverzüglich ohne Bestimmung einer Probezeit zu entlassen.

Warum ist das nun ein Fehler, werden Entlassungen aus dem Maßnahmenvollzug doch ohnehin oft viel zu restriktiv gehandhabt? Der Fehler besteht in der unbedingten Entlassung, also einer sofortigen Entlassung ohne Weisungen und Auflagen. Im Normalfall wird eine bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug mit Weisungen und Auflagen verknüpft. Diese umfassen oftmals eine Wohnweisung, also in einer bestimmten Nachbetreuungseinrichtung betreut zu werden, die psychotherapeutische Begleitung, die psychiatrische Behandlung, aber auch Medikamentenspiegelkontrollen sowie Drogen- und Alkoholkarenz. Welche Weisungen im Einzelfall als notwendig erachtet werden entscheidet das zuständige Vollzugsgericht nach den Empfehlungen der Justizanstalt und des psychiatrischen Sachverständigen.

Der Fehler liegt darin, dass es für die betroffenen Menschen oftmals dringend notwendig wäre, dass die weitere Behandlung und Betreuung geregelt und vor allem auch die Kosten dafür übernommen werden. Dies ist so nicht der Fall. Das geht in Einzelfällen von pädophilen Tätern, die auf einem Schlag ohne die sehr wichtige Fortsetzung der Psychotherapie dastehen, bis zu Menschen mit schweren psychiatrischen Erkrankungen die nun ohne die notwendige psychiatrische Betreuung sich erst im Gesundheitssystem der jeweiligen Bundesländer Alternativen suchen müssen. Das ist jedoch in beiden Fällen nicht zumutbar, vor allem wenn es keine Angehörigen gibt, die dabei unterstützen können. Selbst dann ist es bei der derzeitigen Überlastung und bei der Personalknappheit in der stationären Psychiatrien und der mangelhaften psychotherapeutischen Versorgung in Österreich eigentlich kein haltbarer Zustand.

Fehler 2: Keine Krisenintervention für bedingt Entlassene

Neu geschaffen wurde die sogenannte Krisenintervention. Statt eines Widerrufs des vorläufigen Absehens des Vollzugs (also der bedingten Einweisung) soll die Person, wenn Sie zum Beispiel die Auflagen der medikamentösen Behandlung nicht einhält, für die Dauer von drei Monaten in den Maßnahmenvollzug kommen können um behandelt zu werden. Leider betrifft das nicht Untergebrachte die bedingt entlassen wurden. Ihnen droht nach förmlicher Mahnung der Widerruf der bedingten Entlassung, es fehlt hier ein gelinderes Mittel wie eben die Krisenintervention. Vielleicht wird sich in der Praxis dennoch eine Anwendung der durchaus sinnvollen Krisenintervention auch für bedingt Entlasse umsetzen lassen.

Fehler 3: Anwesenheit des Sachverständigen in der Hauptverhandlung

In der Strafprozessordnung wurde in § 343d Ziffer 2 geregelt, dass der Sachverständige (der Psychiatrie oder klinischen Psychologie) bei sonstiger Nichtigkeit des Verfahrens für die gesamte Dauer der Hauptverhandlung anwesend sein müsse. Das würde bedeuten, dass der Gutachter von Beginn der Verhandlung bis zum Ende, also der Urteilsverkündung anwesend sein muss.

In der Praxis zeigt sich jedoch, dass HV-Vorsitzende des Landesgericht für Strafsachen Wien die Sachverständigen bereits nach dem Ende des Beweismittelverfahrens und vor der Beratung aus der Verhandlung entlassen. In den Verfahren gleich nach Inkrafttreten des Gesetzes wurden die Gutachter noch bis zum Ende im Saal belassen, nun herrscht eher die Meinung vor, dass durch das Beisein des Sachverständigen während der Beratungszeit und der Urteilsverkündung nichts verbessert wird. Es wird sich zeigen, ob der Oberste Gerichtshof (OGH) diesen Nichtigkeitsgrund stattgeben wird.

One Reply to “Die Fehler im System”

  1. So a pfusch!

    Ich orte bei dieser Reform:
    Für die jungen Personen welche unbedingt entlassen werden (ins Freie Leben gestoßen) sowie notwendige Krisenintervention, gibt’s kein Geld.
    Für die Prozess durchgängige Sachverständigen Anwesenheit gibt’s genug Geld.
    Was ist hierbei das wahre Ziel, möglichst zu beweisen Resozialisierung unmöglich?

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