Die Justizanstalten bewegen sich seit Jahren an der Auslastungsgrenze und sind überbelegt. Zudem haben sie fast alle mit Personalmangel zu kämpfen. Das stellt der Rechnungshof in seinen heute veröffentlichten Berichten „Steuerung und Koordinierung des Straf- und Maßnahmenvollzugs; Follow-up-Überprüfung“ und „Resozialisierungsmaßnahmen der Justiz“ fest. Die personellen Herausforderungen wirkten sich unmittelbar auf die Resozialisierungsbemühungen aus: So konnte das Beschäftigungsausmaß der Häftlinge nicht nachhaltig gesteigert werden. Es kam auch regelmäßig zu Schließungen der anstaltseigenen Betriebe. An Nachmittagen und an Wochenenden standen Aktivitäten für Häftlinge für eine zweckmäßige Tagesgestaltung nur begrenzt zur Verfügung. Vor allem in Gerichtlichen Gefangenenhäusern waren Häftlinge teilweise bis zu 23 Stunden am Tag in ihren Hafträumen eingesperrt. Um dem gesetzlichen Auftrag der Resozialisierung von Häftlingen gerecht zu werden, muss bei den Justizanstalten verstärkt in die Personalentwicklung investiert werden, empfehlen die Prüferinnen und Prüfer; ebenso in verbesserte Betriebsstrukturen, in angepasste Beschäftigungs- und Bildungsangebote sowie in bauliche Maßnahmen. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2019 bis 2022 beziehungsweise 2018 bis 2022.
Für die strategische und operative Leitung des Straf- und Maßnahmenvollzugs ist die Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen zuständig. Sie ist eine Sektion des Justizministeriums. Zum Stichtag 1. März 2023 betrug die Zahl der Häftlinge 9.127 Personen. Der Vollzug der Haft erfolgt in den insgesamt 28 Justizanstalten. Die Auszahlungen des Bundes für den Strafvollzug im Jahr 2022 betrugen 599,79 Millionen Euro.

Der Rechnungshof in Wien; Foto: Rechnungshof Österreich/ Achim Bieniek

Handlungsbedarf bei Personal

In der Follow-up-Prüfung „Steuerung und Koordinierung des Straf- und Maßnahmenvollzugs“ setzte das Justizministerium von 15 überprüften Empfehlungen aus dem Vorbericht fünf zur Gänze und acht teilweise um, zwei Empfehlungen setzte es nicht um. Die Situation in den Justizanstalten im Jahr 2023 hatte sich gegenüber 2019 weiter verschärft. Der Grund: Die Haftplätze gingen insgesamt zurück. Die Möglichkeiten, die Belegung zu reduzieren – beispielsweise durch den elektronisch überwachten Hausarrest oder Überstellung von Häftlingen zum Strafvollzug im Herkunftsstaat –, waren aufgrund der rechtlichen und faktischen Rahmenbedingungen begrenzt. Das Justizministerium arbeitete an einer Novelle des Strafvollzugsgesetzes mit Fokus auf Maßnahmen zur Resozialisierung, die gleichzeitig auch zu einer Entlastung der Justizanstalten beitragen sollte. Ohne entlastende Maßnahmen wird das Problem der Überbelegung nur mit einem Ausbau der Haftplatzkapazitäten bewältigt werden können.
Jedoch ist eine weitere Verschärfung der Personalsituation zu erwarten. Zwar waren Anfang des Jahres 2023 die Planstellen zu 96 Prozent besetzt, es fehlten aber immer noch mehr als umgerechnet 130 Vollzeitbeschäftigte. Gleichzeitig geht die Zahl der Bewerbungen zurück – zwischen 2019 und 2022 um mehr als ein Viertel.

Offene Punkte bei Reform des Maßnahmenvollzugs

Ein Teil der geplanten Reform des Maßnahmenvollzugs wurde mit dem Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022 umgesetzt. Offen blieben allerdings jene Punkte, die sicherstellen sollten, dass strafrechtlich untergebrachte Personen adäquat und zeitgemäß behandelt und betreut werden.

Beträchtliche Unterschiede bei Beschäftigungsquote in Justizanstalten

Die ausreichende Beschäftigung der Häftlinge in Form von Arbeit oder Ausbildung stellt einen wesentlichen Faktor zur Strukturierung des Tages, für ein positives Anstaltsklima sowie zur Resozialisierung der Häftlinge dar, stellen die Prüferinnen und Prüfer im Bericht „Resozialisierungsmaßnahmen der Justiz“ fest. Im Hinblick darauf kritisieren sie, dass die Beschäftigungsquote in den Justizanstalten beträchtliche Unterschiede aufwies. Im Jahr 2023 betrug sie beispielsweise in der Strafvollzugsanstalt Wien-Simmering 69 Prozent, in Gerasdorf 94 Prozent.
Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer konnte im überprüften Zeitraum nicht nachhaltig gesteigert werden. Im Jahr 2022 betrug sie 3,16 Stunden pro Werktag pro Häftling. Auf eine Steigerung der Beschäftigung von Häftlingen ist hinzuarbeiten, empfiehlt der Rechnungshof.

Zur Zeit der Rechnungshof-Prüfung gab es österreichweit 452 Betriebe in den Justizanstalten, zum Beispiel Schlossereien und Tischlereien. Einige davon – wie Küchen, Bäckereien oder Wäschereien – dienen der Systemerhaltung. In sogenannten Unternehmerbetrieben verrichteten Häftlinge (meist niederschwellige) Arbeiten für externe Unternehmen. Ein gesamtheitlicher Ansatz zur Betriebsstruktur fehlt, und in den Justizanstalten kam es regelmäßig zu Betriebsschließungen. Betriebsschließungen können sich nach Ansicht des Rechnungshofes negativ auf die Motivation der Bediensteten und der Häftlinge auswirken. Die Empfehlung: Die bestehende Betriebsstruktur in den Justizanstalten ist zu evaluieren, und gegebenenfalls – unter einem gesamtheitlichen Ansatz – zu optimieren. Der Rechnungshof hält weiters kritisch fest, dass es an Nachmittagen und an Wochenenden nur ein begrenztes Angebot an Aktivitäten für Häftlinge gab. Das steht aus Sicht des Rechnungshofes einer Resozialisierung entgegen. Laut Angaben der Justizanstalten ist insbesondere der Personalmangel ein Grund dafür, dass die zweckmäßige Tagesgestaltung von Häftlingen beeinträchtigt ist.


Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Häftlinge anpassen

Justizanstalten bieten auch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Häftlinge an, was der Rechnungshof positiv wertet. Maßnahmen zur Qualifizierung sind essenziell, um die Chancen auf eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft und einen Arbeitsplatz zu erhöhen. Die Häftlingspopulation änderte sich jedoch, vielfach fehlen Grundqualifikationen, zum Beispiel ausreichend Deutschkenntnisse. Der Anteil der nicht-österreichischen Häftlinge liegt seit Mitte der 2010er Jahre bei etwa 50 Prozent oder knapp darüber. Nach Ansicht des Rechnungshofes ist es daher notwendig, das Aus- und Fortbildungsangebot anzupassen. Denn nachhaltig qualifizierende Berufsausbildungen können nur mehr begrenzt durchgeführt werden. Beispielsweise konnten in der Justizanstalt Wien-Simmering die Ausbildungsplätze für eine Facharbeiterintensivausbildung mangels geeigneter Häftlinge nicht mehr vollständig besetzt werden.

Qualitative Untersuchungen zur Wirksamkeit des Strafvollzugs notwendig

Der Rechnungshof beurteilt positiv, dass das Justizministerium ein eigenständiges Wirkungsziel für den Strafvollzug festgelegt hat, das den besonderen Fokus auf die Reintegration und Rückfallprävention der Häftlinge legt. Kritisch sieht er, dass die dazu festgelegten Kennzahlen ausschließlich am Input orientiert sind. Es fehlt jedoch eine Kennzahl, die die Wirkung der Resozialisierungsmaßnahmen im Hinblick auf die Rückfälligkeit entlassener Häftlinge misst. Die Generaldirektion beabsichtigte aber, die Wiederkehrerquote – der Anteil der Personen, die innerhalb von vier Jahren nach Entlassung aus Haft oder Unterbringung neuerlich in Strafhaft oder Anstaltsunterbringung kommen – als neue Kennzahl zu implementieren. Diese lag im Jahr 2022 bei 21 Prozent. Für eine qualitative Wirkungsmessung soll das Justizministerium einschlägige wissenschaftliche Einrichtungen gewinnen, insbesondere aus dem universitären Bereich: für vertiefte Untersuchungen zur Wirksamkeit des Strafvollzugs beziehungsweise spezifische Reintegrations- und Resozialisierungsmaßnahmen sowie zur Lebenssituation ehemaliger Häftlinge.

Presseinformation des Rechnungshofs

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